Ich-Kompetenz und Selbsterkenntnis

Was ist mit Ich-Kompetenz gemeint?

Was verhilft uns zur Selbsterkenntnis?

Aktive Aneignung der eigenen Biografie

Die Ich-Kompetenz, die vierte Ebene unseres Menschseins (vgl. Wesensglieder: Grundlegendes zum Thema Wesensglieder), ist der ewige Anteil in uns. Wir brauchen beides. Die Erfahrung ist eben sehr oft leidbetont. Dazu ja sagen zu können, entspringt der Ich-Kompetenz. Das Ich lebt im Ja und im Nein, es hat die Möglichkeit der Aneignung und des Sich-Distanzierens.

Das ganz Entscheidende am Ich-Aspekt ist die systematische Aneignung und Integration dessen, was man wirklich ist (vgl. Biographiearbeit: Biographiearbeit als Weg zu Christus): Dass man nicht abspaltet, was einem nicht gefällt, und so tut, als hätte man diese Seiten nicht auch, dass man keine subjektive, sympathiebetonte Selektion vornimmt von allem, was man ist. Während wir unseren biografischen Weg gehen, machen wir alle die Erfahrung, dass wir ihn mit unseren eigenen Füßen gehen. Selbst wenn wir sagen – „Dahin wollte ich doch gar nicht!“ – sind wir doch dahin gegangen. Man muss sich eingestehen: „Ich bin diesen Weg gegangen. Ich war selbst an all diesen Orten. Ich habe so und so reagiert. Hier war ich Opfer, hier war ich Täter. Ich war immer dabei, es gehört zu mir.“

Auf diese Weise erkennt man,

  • dass im Leid eine tiefe Weisheit verborgen ist,
  • dass aber auch in der Freude eine großartige Quelle der Kraft liegt
  • und dass das Leben beides braucht – Kraft und Weisheit.

Integrationsfähigkeit als Kompetenz zur Begleitung anderer

Erst wenn man diese wunderbare Übung, die jeder und jede selbst durchführen muss, gemeistert hat, hat man sich aus meiner Sicht die Fähigkeit erworben, Menschen mit einem schwierigen Schicksal kompetent zu begleiten (vgl. Biographiearbeit: Medizinische Weiterbildung für Biographiearbeiter). Denn nur wer sich seine eigenen Lebensabbrüche und Schwierigkeiten vergegenwärtigt und all dasjenige aneignet, wovon man sich am liebsten distanzieren würde, entwickelt Verständnis für die Schwierigkeiten anderer. Sich die eigene Biografie, den eigenen Weg, anzueignen, ist ein ganz entscheidender Aspekt. Dann erst sind wir in der Lage, Angehörigen und auch den Menschen, die wir betreuen, auf nonverbale oder verbale Art und Weise wirklich nahe zu sein. Erst dann bringen wir die nötige spirituelle Empathie auf, die ihnen helfen kann, eins zu werden mit ihrem Schicksal auf ihrem Weg.

Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 1. Vortrag, Persephone, Kongressband Nr. 2