Grundlegendes zum Thema Wesensglieder

Was meint Rudolf Steiner mit Wesensgliedern des Menschen?

Weshalb benützt er unterschiedliche Begriffe dafür?

Welche Verbindung haben die Wesensglieder zu den Elementen?

Wenn man die Wesensgliederkunde im Kontext der Kulturgeschichte betrachtet, findet man dieses Konzept in der Ayurvedischen Medizin, in etwas anderer Form auch in der traditionellen chinesischen Medizin, der TCM, es gibt sie in der aristotelischen Philosophie, es gibt sie durch die ganze Alchemie des Mittelalters hindurch. Rudolf Steiner ist mit diesem Thema „in allerbester Gesellschaft“. Das zeigt, dass eine wissenschaftliche Betrachtung des Menschen, zumindest im Kontext der Kulturgeschichte, ohne die Wesensglieder gar nicht angestellt werden kann. Es ist unser Anliegen, die Wesensglieder schrittweise in die wissenschaftliche Medizin einzuführen (vgl. Anthroposophische Medizin: Die Wesensglieder und ihre Diagnostik).

Erläuterung zur Begriffswahl

Rudolf Steiner benutzt anfangs, wenn er von „Wesensgliedern“ des Menschen spricht, noch das Wort „Leib“ (Ätherleib etc.) und sagt dazu: „Ich sage Leib, um das zu bezeichnen, was einer Sache Form gibt“. Damit bezieht er sich sogar eher auf den Brotlaib, das Geformte.

In seinem Buch letzter Hand, „Grundlegendes…“,1 benützt er das Wort Organisation bzw. Organismus. Vor einem christlichen Kontext stoßen sich unsere Brüder und Schwestern in den Konfessionen daran, weil sie mit dem Wort Leib nur den Leib Christi assoziieren und es dann immer ganz komisch finden, dass wir diese vielen Leiber haben. Wenn man dann von Organismus, Organisationen bzw. Gesetzeszusammenhang spricht, wird das viel besser verstanden. Mein Lieblingsbegriff ist „Gesetzeszusammenhang“, anstelle des Wortes „Wesensglieder“.

Wesensglieder und Elemente

Der Mensch kann sein Wesen auf vierfache Weise zum Ausdruck bringen, durch vier Organisationsprinzipien, die in ihrer physischen Seite eng mit den vier Elementen, dem Festen, dem Flüssigen, dem Luftigen und der Wärme verbunden sind, was Aristoteles bereits wusste und beschrieb im Rahmen seiner „Elementenlehre“.

Die Wesensglieder haben aber auch eine außerkörperliche Seite, die „Form“, „Leben“, „Seele“, „Geist“, genannt werden kann und mehr mit dem inneren Erleben der Wesensglieder zu tun hat.

Als „physischer Organismus“ oder physischer Leib wird die Gesamtheit der kristallinen strukturierenden Bestandteile des menschlichen Körpers bezeichnet. Er ist „Gefäß“ und Stütze für die anderen Wesensglieder. Er bildet als Formprinzip die Gestalt des Menschen im Raum (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des physischen Leibes).

Als „ätherischer Organismus“ oder Ätherleib wird die Gesamtheit der Lebensprozesse im Körper bezeichnet, die an das Element des Flüssigen gebunden sind. Er ist für Wachstum und Regeneration zuständig und bildet die Zeitgestalt des Menschen, seine Entwicklungsgeschichte, seine Biografie, sein Leben (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des Ätherleibes).

Als „astraler Organismus“ oder Astralleib wird die Gesamtheit der seelischen Aktivitäten bezeichnet, die eng mit dem Element der Luft verbunden sind. Er wirkt differenzierend und polarisierend und bietet dem Menschen als Seele, seine seelischen Ausdrucksmöglichkeiten (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des Astralleibes).

Als „Ich-Organismus“ oder Ich wird die integrierende geistige Kompetenz des Menschen bezeichnet, die über die Wärme zum Tragen kommt. Das Ich steuert die Intensität und Richtung von Willensäußerungen und ermöglicht selbstbewusstes Handeln. Der außerkörperliche Aspekt, der Geist des Menschen, hat ebenfalls einen engen Bezug zur Wärme – was sich u.a. als Begeisterung äußert (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen der Ich-Organisation).

Betrachtung der Wesensglieder nach aristotelischen Kategorien

Die Wesensglieder können aber auch nach der Kategorienlehre des Aristoteles betrachtet werden. Über entsprechende Fragen zu den einzelnen Kategorien treten die Qualitäten und Ausdrucksformen deutlich in Erscheinung. Sie sind auch für das anthroposophische Wesensgliederverständnis erhellend:

Die physische Organisation umfasst die Kategorien:

  • Raum: Ort, Lage
  • Quantität: Menge, Größe

Die ätherische Organisation umfasst die Kategorien:

  • Zeit
  • Qualität

Die astralische Organisation umfasst die Kategorien:

  • Relation
  • Tun
  • Leiden

Die Ich-Organisation wird bestimmt durch die Kategorie:

  • Substanz

Das griechische Wort für Substanz hat noch die komplexe Bedeutung von Sein und Wesen, also sowohl von geistiger als auch physisch-materieller Substanz. Das lateinische Wort substantia heißt: das Darunter- (sub) Liegende bzw. -Stehende. Was im Griechischen noch als geistig-physische Wesenseinheit von Geist und Materie gedacht und formuliert werden konnte, kann im lateinischen Sprachgebrauch fast nur noch von der rein materiellen Seite begriffen werden.

Vgl. Vortrag über Wesensglieder auf der Schulärztetagung 2016

  1. Rudolf Steiner; Ita Wegmann, Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27.