Einbettung der Sinne in die hierarchische Welt

Was ist mit Einbettung der Sinne in die hierarchische Welt gemeint?

Inwieweit verdanken wir unsere Sinneserfahrung unseren eigenen höheren Wesensanteilen?

Wo sind wir auf das Einwirken seitens der Hierarchien angewiesen?

1. Die unteren Sinne aus geisteswissenschaftlicher Betrachtung

In Bezug auf die unteren Sinne (vgl. Sinne(spflege): Körperorientierte Sinne) führt Rudolf Steiner in verschiedenen Zusammenhängen aus, dass wir die Umwelt mit unseren heutigen Wesensgliedern sinnlich gar nicht in selbstloser Weise wahrnehmen können, weil unser Ich noch viel zu unerzogen ist und sich noch viel zu wenig selbst erkannt und verwandelt hat (vgl. Sinne(spflege): Ringen des Ich um Selbstlosigkeit).

Unsere physische Sinneserfahrung an sich ist jedoch bereits vollkommen selbstlos. Man kann sagen, sie ist viel besser als wir. Das sei laut Rudolf Steiner so, weil die Wesensanteile des Zukunftsmenschen – wie Atman, der Geistesmensch, Buddhi, der Lebensgeist und Manas, das Geistselbs – uns von außen wie aus der Zukunft entgegenkommen und unsere heutigen Wesensglieder durchdringen und bearbeiten (vgl. Wille(nsschulung): Übersicht über die neungliedrige Willensnatur). Ihnen verdanken wir Sinneserlebnisse unserer unteren Sinne. Darauf möchte ich im Folgenden näher eingehen.

  • Der Lebenssinn und das Wirken von Atman

Das Wohlgefühl, das durch den Lebenssinn entsteht (vgl. Sinne(spflege): Grundlegendes zum Lebenssinn), ist laut Rudolf Steiner einem großen astralen Überschuss geschuldet. Dieser astrale Überschuss sei der Tatsache zu verdanken, dass die physisch-ätherische Konstitution den Astralleib wie auspresst dadurch, dass Atman, der Geistesmensch, der vollkommen vergeistigte physische Leib, unseren Ätherleib ganz und gar mit Strukturkraft durchsetzt. Der Ätherleib müsse sich dieser physisch vollendeten Geistgestalt fügen und sich in deren Form begeben. Das würde im Ätherleib wie eine feine Verkrampfung im Sinne einer Zusammenziehung bewirken und würde den Astralleib auspressen und für das schöne Gefühl durch unsere Lebenssinn-Wahrnehmung sorgen.

  • Der Bewegungssinn und das Wirken von Buddhi

Buddhi, der Lebensgeist, der vollkommen vom Ich durchgearbeitete Ätherleib, würde uns das Bewegungssinnerlebnis ermöglichen, indem er den Ätherleib in ein wunderbar harmonisches Gleichmaß mit sich selbst bringt und der Astralleib dadurch in der Lage wäre, ganz frei immer die Gegenbewegung zu unserer Eigenbewegung zu machen. Anhand dieser Gegenbewegung würden wir uns des Bewegungssinn-Erlebnisses (vgl. Sinne(spflege): Grundlegendes zum Bewegungssinn) bewusst.

  • Der Gleichgewichtssinn und das Wirken von Manas

Manas, das Geistselbst, der vollkommen vom Ich beherrschter Astralleib, würde uns Gleichgewichtssinn-Erlebnisse (vgl. Sinne(spflege): Grundlegendes zum Gleichgewichtssinn) ermöglichen, indem er ausdehnend auf den Ätherleib wirkt, ihn sozusagen in die eigene Ausdehnung mitnimmt. Dadurch würde Manas den Ätherleib insofern vergeistigen, als dadurch im Physischen ein Freiraum entstünde. Der Ätherleib würde gleichsam Platz machen, damit sich das dreidimensionale Gleichgewichtsorgangebilde in Form von drei halbzirkelförmigen Kanälen wie von außen als wunderbar strukturiertes Gebilde hereinwölben und ganz frei ausbilden könne, bevor es schlussendlich „eingemauert“ wird im Felsenbein.

Das ist die sehr interessante, gar nicht einfach nachzuvollziehende, aber geisteswissenschaftlich ganz exakte Erklärung, wie es zur besonderen Formung der Sinnesorgane kommt und wodurch wir sie erleben können.

2. Die mittleren Sinne aus geisteswissenschaftlicher Betrachtung

Unsere mittleren Sinne (vgl. Sinne(spflege): Seelenorientierte Sinne), Geruchssinn, Geschmackssinn, Wärmesinn und Hörsinn, können laut Steiners Ausführungen überhaupt nur dank der als Ideal veranlagten Wesensglieder – Empfindungsleib, Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewusstseinsseele – wirken (vgl. Wille(nsschulung): Übersicht über die neungliedrige Willensnatur). Und damit sind die im Menschen selbst liegenden Möglichkeiten ausgeschöpft.

3. Die oberen Sinne aus geisteswissenschaftlicher Betrachtung

Unsere oberen Sinne, Sehsinn, Gedankensinn und Wortsinn, können nur durch die Mitwirkung von Engel und Erzengel funktionieren:

  • Die Erzengel ermöglichen uns über den Wortsinn das Verstehen.

  • Der im Ätherischen lebende Christus ermöglicht uns über den Gedankensinn das individuelle Wahrnehmen von Gedanken.

Man sieht hier die Anknüpfung an die Christus-Opfer, dass Engel und Erzengel dem Christus dienen, damit in den höheren Sinnen die in diesen Organen notwendige Selbstlosigkeit vorhanden ist. Da wir mithilfe unserer oberen Sinne unsere Meinung am stärksten, gewaltsamsten und inkompetentesten vertreten, brauchen wir hier die Hilfe der Erzengel, die ja Gruppenengel sind, damit wir überhaupt verstehen können, was der andere sagt.

Deswegen ist die Sphäre der oberen Sinne auch so anfällig für dämonische Gruppenwesen, die über Parolen und Musik das Ich wie auslöschen (vgl. Engel: Engel und das Wirken von Gedanken, Worten und Taten). Wenn Engel, Erzengel und die Christus-Präsenz wie ausgeschaltet werden, können wir nicht mehr richtig wahrnehmen.

Alle Sinne unter dem Schutz der Hierarchien

  • Der Bereich der mittleren und unteren Sinne, wo unser Zukunftsmensch – sozusagen die ursprüngliche Menschenidee – zu Hause ist, steht unter dem Schutz des Vatergottes.

  • Ich-Sinn und Tastsinn lässt Rudolf Steiner hier aus. Diese beiden Felder stehen in direktem Zusammenhang mit der vatergöttlichen (Tastsinn) und der geistgöttlichen (Ich-Sinn) Instanz.

  • Die anderen oberen Sinne sind mit der Christussphäre verbunden.

Über die Sinnessphäre erfährt der Mensch eine vollkommene Einbettung in die hierarchische Welt (vgl. Engel: Engelhierarchien und Schöpfungsprozess), die schon am Zukunftsmenschen schafft, wenn wir entsprechend mitmachen. Auf dieser Grundlage kann man dann auch verstehen, wieso gerade das Wahrnehmen mit den unteren Sinnen, wenn wirklich empfunden und erlebt wird, was diese uns seelisch geben, die höchste menschliche Eigenschaft darstellt.

Vgl. Vortrag „Der Bewegungssinn in Diagnostik und Therapie“, gehalten am 9. Januar 2016 an der Kunsttherapietagung