Substanzströme bei Aufbau und Abbau

Welche Umwandlungsschritte erfährt die Nahrungssubstanz im Zuge der Verdauung?

Wie agieren Substanzen im Bereich des Physischen, Ätherischen, Astralischen und unter dem Einfluss der Ich-Organisation?

Einander entgegengesetzte Substanzströme

In der menschlichen Konstitution finden entsprechend den jeweiligen Gesetzeszusammenhängen der ätherischen, astralischen und Ich-Organisation drei sehr unterschiedliche Umwandlungsschritte der durch die Nahrung aufgenommenen und dann vom Organismus weiterverarbeiteten Substanzen statt.

In „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst…“ sprechen die Autoren von „Substanzströmen“:1 Die im Wachzustand durch die astralische und Ich-Organisation initiierten abbauenden Substanzströme sind dem Aufbaugeschehen, das durch den Ätherleib besorgt wird, entgegengesetzt (vgl. Doppelnatur des Ätherischen: Wirken des Ätherleibes bei Tag und bei Nacht). Das erklärt die Notwendigkeit, Schlafphasen und Wachphasen abwechseln zu lassen:

Bereits in der 1918 erschienenen zweiten Auflage von „Die Philosophie der Freiheit“,2 begründete Rudolf Steiner philosophisch, dass dem Entstehen von Bewusstsein (Astralleib) und Selbstbewusstsein (Ich-Organisation) Abbauprozesse zugrunde liegen (müssen). Das führte er auch in seinem Vortragswerk immer wieder aus.3 In „Erweiterung der Heilkunst…“4 wird dieses Geschehen von der körperlich-substanziellen Seite aus im Verlaufe der einzelnen Kapitel des Buches eingehend beschrieben.

Verhältnis von Substanzwirkung und jeweiliger Kräftewirkung

Was für das anthroposophische Substanzverständnis und die damit verbundene Art der Arzneimittelfindung und -herstellung wichtig ist, wird in Kapitel 1 auf den Punkt gebracht (vgl. Natur und Kosmos: Aspekte einer anthroposophischen Substanzkunde): Die Substanzen ändern ihre ‚Wesensoffenbarung’ und damit ihre Wirkung je nachdem, mit welchem Kräftebereich und Gesetzeszusammenhang (Wesensglied) sie es in Mensch und Natur zu tun haben (vgl. Wesensglieder: Die Wesensglieder als Gesetzeszusammenhänge):

  • Im physischen Kräftebereich zeigen Substanzen ihre mineralischen Materialeigenschaften im Kontext der Aggregatzustände.

  • Im ätherischen Kräftebereich entfaltet sich der ganze Reichtum biochemischer Prozesse in der Bildung sekundärer Pflanzenstoffe und artspezifischer Eiweißkonfiguration bei Mensch und Tier – was die offenkundigste Auswirkung von Ernährung ist.

  • Im astralischen Kräftebereich zeigen sich die katabolen (abbauenden), degenerativen Prozesse, die Bewusstsein ermöglichen.

  • Wohingegen im Kräftebereich der Ich-Organisation , die Substanz Geist tragend wird was aber körperlich bedeutet, dass sie abstirbt. Ein Hinweis auf die Bedeutsamkeit dieses Todesprozesses sind die Jesusworte: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, …“5.

Man wird bei einer solchen Betrachtung an das Novalis-Wort erinnert: „Wenn ein Geist stirbt, wird er Mensch – Wenn d[er] Mensch stirbt, wird er Geist.“ (vgl. Sterben und Tod: Tod als Geistgeburt begriffen).6

Gesundheit als Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau

Gesundheit liegt vor bzw. tritt ein, wenn die Substanzprozesse in den jeweiligen Kräftebereichen sich das Gleichgewicht halten können. Je mehr dieses Gleichgewicht gestört ist, desto eher treten Krankheitserscheinungen auf.

Die prozessorientierten Arzneimittel der anthroposophischen Pharmazie haben daher primär die Aufgabe regulierend zu wirken (vgl. Anthroposophische Medizin: Arzneimittel-Substanzgruppen und Wesensglieder), indem sie das Gleichgewicht wiederherstellen.7 die unterstützen dabei die integrierende Kompetenz der Ich-Organisation (vgl. Waldorfpädagogik: Die fünf Ebenen des Menschseins).

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 20258

  1. Rudolf Steiner, Ita Wegmann, „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst…“, GA 27, S. 28 f.
  2. Vgl. dazu die Zusätze zur 2. Auflage von Rudolf Steiner, „Die Philosophie der Freiheit“ von 1918.
  3. Z. B. Rudolf Steiner, „Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit. Schicksalseinwirkungen aus der Welt der Toten. Geistige Wesen und ihre Wirkungen, Band III“, GA 179, S. 122–125.
  4. Siehe FN 1.
  5. Neues Testament, Matthäus Kap. 4, 4.
  6. Novalis (2013), S. 436.
  7. Vgl. Pedersen und Meyer (2017).
  8. In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.