Arbeitsanliegen der Hochschule

Wie können wir die Arbeitsanliegen und -zusammenhänge, die Rudolf Steiner gestiftet hat, einem größeren Menschenkreis zugänglich machen?

Wo ist es wirklich angebracht, über den meditativen Weg, den man in der Hochschule beschreitet, zu berichten?

Wir sind bestrebt, das soziale Bauwerk (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Architektur soziale Gestalt und Kunstimpuls) bestehend aus Freier Hochschule für Geisteswissenschaft und Anthroposophischer Gesellschaft aus dem heutigen Bewusstsein heraus in seiner Sinnhaftigkeit als unterstützendes Element für die verschiedenen Berufs- und Lebensgebiete wieder neu zugänglich zu machen – u.a. indem Hochschulmitglieder von ihren Erfahrungen mit der Hochschule sprechen.

Hochschulmitglieder sind diejenigen unter uns, die sich entschieden haben, der Ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft1 beizutreten. Sie haben eine blaue Karte, so wie Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft eine rosa Karte haben. Die Sektionen, wie auch die Medizinische Sektion, sind vertikal ausgerichtet und kreuzen die horizontalen Arbeitsebenen von Hochschule und Gesellschaft. Sie beginnen in der geistigen Welt und „enden“ im Leben, in der Arbeit, wie die „Vertikalität“ des Menschen auch. Rudolf Steiner hat die Hochschule mit gutem Grund so eingerichtet, dass die Sektionen einerseits mit den Inhalten der Klassenstunden arbeiten und andererseits miteinander kooperieren (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Aufbau der Sektionen).

Schulungsweg und Meditation

Denn das Wesentlichste, was Rudolf Steiner uns geschenkt hat, ist der Schulungsweg und die einzigartige, beim bewussten Denken ansetzende anthroposophische Meditation

Was wir durch die Todespforte mitnehmen

Was ist konkret mit dem Tod als Geistgeburt gemeint?

Welche seelisch-geistigen Inhalte und Einsichten kann der Mensch durch die Todespforte mitnehmen?

Welche Rolle spielt dabei unser Gefühl?

Leben als „geistige Embryonalentwicklung“

Das Leben kann als eine „geistige Embryonalentwicklung“ gesehen werden, die mit dem Tode als „Geistgeburt“ endet (vgl. Sterben und Tod: Tod als Geistgeburt begriffen). Wir gebären ja im Zuge der Entwicklung fortlaufend unser Seelisch-Geistiges aus dem Körper heraus:

  • Dem leibfreien Ätherleib verdanken wir dabei unser Denkvermögen,
  • dem Astralleib das Bewusstsein von unserem Denken
  • und der Ich-Organisation unsere Gedankeninhalte.

Mit unserem Denken, das wir unseren leibfrei gewordenen Ätherkräften verdanken, verlassen wir tagsüber den Leib. Wenn diese Ätherkräfte nachts in den Leib zurückgehen, verlischt das ans Denken gebundene Bewusstsein – dann schlafen wir. Alles, was wir über unser Ich an Willensimpulsen und Taten und über unseren Astralleib als Gefühle erlebten, wird vom Denken begleitet und prägt sich so auch dem Ätherleib ein: Und jede Nacht beeinflussen diese Eindrücke den Körper in seinem Wachstum, seiner Entwicklung, seiner Regenerationsfähigkeit und wirken sich damit positiv oder negativ auf unseren Gesundheitszustand aus (vgl. Doppelnatur des Ätherischen: Wirken des Ätherleibes bei Tag und bei Nacht).

Astralleib und Ich bleiben beim Erwachsenen, nachdem sie bis etwa zum 14. Lebensjahr als das Wachstum differenzierende (Astralleib) und bis ca. zum 21. Lebensjahr als integrierende (Ich-Organisation) Kräfte ihren Dienst getan und aus dem Leib „herausgeboren“ wurden, für immer leibfrei. Sie dehnen sich Nacht für Nacht während des Schlafens aus in die Weiten des Makrokosmos, in die Sternenwelt („Aster“ in Astralleib kommt aus dem Lateinischen und heißt Stern).

Was wir über die Todesschwelle nehmen

Wir nehmen all das aber auch über die Todesschwelle mit. Nach dem Tode verlässt uns der Ätherleib bereits nach drei Tagen (vgl. Sterben und Tod: Auflösung des ätherischen Organismus). In der geistigen Welt leben wir nur in Astralleib und Ich. Jedoch die Gedanken, die uns begeistert haben, gehen mit, denn sie sind durch das Gefühl der Begeisterung dem Astralleib eingeprägt – so wie unsere Taten mit unserem Ich verbunden bleiben. Wir können unser Denken als Werkstatt auf Erden begreifen, in der wir neue Nahrung beschaffen und neue Bewusstheit entwickeln – um sie mitnehmen zu können, wenn wir in die geistige Welt hineingeboren werden nach dem Erdenlauf.

Nun gibt es einen weiteren Aspekt, der mir im Hinblick auf die Zukunft immer wichtiger wird. Er findet sich in GA 2091, im 3. Vortrag. Auch da schildert Rudolf Steiner die Bedeutung von Gefühl und Wille: „Allein dasjenige, was wir durch Gefühl und Wille ausbilden, allerdings dann unbewusst, sich wiederum mit neuen Gedanken durchsetzt, nur das nehmen wir durch die Pforte des Todes mit.“ Er führt in der Folge aus, wie wir im Tode in einem gewaltigen Panorama unser Denken ablegen. Es bleibt nur ein Extrakt zurück: genau dasjenige aus unseren Gedankeninhalten, was Anschluss an Gefühl und Wille bekommen hat – nicht mehr und nicht weniger:

  • Denn nur durch das Gefühl bekommt der Gedanke Bedeutung für das Individuum. Nur Einsichten, die wir tief gefühlt haben, können wir über die Todesschwelle mitnehmen.

  • Und wir können auch nur mitnehmen, was wir umgesetzt haben von unseren guten Gedanken.

Das meditative Üben stellt diesbezüglich einen wunderbaren Lernweg dar (vgl. Meditation auf anthroposophischer Grundlage: Allgemeines über meditatives Üben). Und wenn Menschen später im Leben eine meditative Begabung haben, verdanken sie das den religiösen Übungen – der Weihestimmung, der Verehrung, der Andacht – in ihrer Kindheit (vgl. Religion: Pflege des religiösen Lebens im Kindesalter). Wer so etwas als Kind nicht erlebt, kann das später nur sehr mühsam erlernen. Ein primärer Zugang zum religiösen Leben führt also über die religiöse Übung, weil sie immer wieder dasselbe ist und sich doch in jedem Augenblick etwas anders erlebt wird, weil das Kind in seiner Gesamtentwicklung von Mal zu Mal anders geworden ist. Und genau das ist das Wesen der Meditation: Sich dasselbe immer anders, tiefer, neu, noch energischer zum Erleben zu bringen.

Vortrag „Die salutogenetische Wirkung von Kinderhandlung, Jugendfeier und Opferfeier“, für Religionslehrer 2012

  1. Rudolf Steiner, Nordische und mitteleuropäische Geistimpulse. Das Fest der Erscheinung Christi. Elf Vorträge aus dem Jahre 1921, gehalten in Kristiania (Oslo), Berlin, Dornach und Basel. GA 209.
. Es ist uns ein Anliegen, dass sich die Berufsgruppen ganz neu darauf besinnen, wie der meditative Erkenntnisweg als Schulungsweg im Berufszusammenhang zum Tragen kommt und wie er sich mit dem persönlichen Schicksal und dem menschheitlichen Zeitschicksal, das wir mitgestalten, verbindet.2

Mathias Girke hat gestern Abend ein Beispiel davon gegeben, in welcher Form des geschehen könnte: Er sprach von den in der Seele aufsteigenden Gegenkräften, die in den ersten beiden Meditationsstunden behandelt werden: von Angst und Furcht, Hass und Spott, Zweifel – und davon, mit welchen inneren Kräften man sie überwinden kann.

Auf diese Weise könnte man auch andere Inhalte zu Kollegen in den unterschiedlichen Berufsfeldern tragen und dabei erwähnen, dass sie aus dem Kontext der Klassenstunden stammen. So könnte die Hochschule das Leben vieler anregen und dadurch selbst auch wertvolle Anregungen erhalten.

Vgl. Abschlusswort an der JK der Med. Sektion, Dornach, 17.09.2009

  1. Rudolf Steiner, Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum, GA 260a, Dornach 1987.
  2. Michaela Glöckler (Hrsg.), Rolf Heine (Hrsg.), Die anthroposophisch-medizinische Bewegung: Verantwortungsstrukturen und Arbeitsweisen, Dornach 2010.