Die Wirklichkeit erschaffende Kraft von Idealen
Wie lassen Ideale sich verwirklichen?
Welchen Schritten folgt dieser Verwirklichungsprozess?
Was gilt es dabei zu beachten?
Sieben Schritte der Verwirklichung
Ich möchte hier die sieben Schritte bis hin zur Verwirklichung eines Ideals anhand des Ideals der „Eigenverantwortlichkeit“ systematisch durchdeklinieren.
- 1. Schritt – Aufnehmen des Ideals in die eigene Seele
Wenn wir eine Idee für gut befinden und wir sie ernst genug nehmen, um uns näher damit befassen zu wollen, wird sie für uns bereits zu einem Ideal, dann gehen wir bereits eine Art Verbindlichkeit gegenüber diesem Ideal ein. Konkret könnte das so aussehen, dass wir vier Wochen lang täglich dreimal daran denken bzw. darüber nachdenken – ohne Aggressionen zu entwickeln gegenüber denjenigen, die dieser Idee nicht anhängen und auch ohne darüber zu klagen, dass sie es nicht tun. Wir werden sehr bald feststellen, dass das gar nicht einfach ist. Ideale sind etwas Kostbares, Reines – und sie sind dem Unreinen oft ein Dorn im Auge. Auch die Schatten in uns selbst geraten in Aufruhr angesichts dieser Sphäre. Schillersagte: „Es liebt die Welt Strahlendes zu schwärzen.“
Es ist gut, wenn wir dieses Problem erkennen und es trotzdem schaffen, das neue Ideal in die Seele aufzunehmen. Man sollte durch allen – bedingt durch die eigenen Schatten – aufkommenden Ärger hindurch solange mit dem Ideal umgehen, bis man sich wieder daran erfreuen und es anlächeln kann wie einen Freund.
- 2. Schritt – Integrieren des Ideals ins normale Leben
An diesem Punkt müssen wir uns überlegen, wie wir unser Leben ändern müssen, damit wir dem Ideal im eigenen Leben gerecht werden. Der Umgang mit einem Ideal muss gepflegt und ganz bewusst geübt werden. Gelingt uns die Integration, hat sich unser Leben bereits verändert. Das bemerken dann nicht nur wir selbst, sondern auch andere. Man fragt uns vielleicht: „Wer ist dein neuer Coach?“
- 3. Schritt – Das Ideal wird zur Kraftquelle
In diesem Stadium bemerken wir, dass das Ideal in uns eine weitere Fähigkeit erschließt: das innere Hören. Wir sind zu einem Lauschenden, sind „inspirationsfähig“ geworden. Indem wir uns selbst zu führen beginnen, schöpfen wir zunehmend aus der eigenen Aufrichtekraft (Vertikale). Sie wird uns zum ideellen Wanderstab, zu einer Quelle der Inspiration, aus der wir Kraft und Selbstsicherheit beziehen können.
- 4. Schritt – Willen zur Konsequenz entwickeln
Je mehr wir den vertikalen Anschluss spüren, desto stärker bemerken wir auch Abweichungen vom Ideal in unserem Umfeld, aber auch in uns selbst. Das tut weh. Sich mit einem Ideal zu verbinden ist, als würde man selbst ins Licht treten und auch das ganze Umfeld neu beleuchten – die Schatten erscheinen dann schwärzer.
Jetzt brauchen wir den Willen zur Konsequenz, indem wir genau abwägen, ob wir wirklich weiterhin alles tun wollen, was bisher zu unserem Leben gehörte. Jetzt ist es an der Zeit, Dinge zu lassen, die uns in unserer Eigenverantwortlichkeit schwächen, z.B. Alkohol und andere schwächende Gewohnheiten. Wir müssen uns mit den Schatten in uns selbst befassen, müssen entdecken, wo wir immer noch unsere Verantwortung auf andere abwälzen wollen und so die Eigenverantwortlichkeit meiden. Wir brauchen genug Zeit für die Umsetzung dieses Schrittes, brauchen einen bewussteren Umgang mit unseren Gewohnheiten. Vielleicht gilt es auch Konsequenzen im eigenen Leben zu ziehen, indem man gewisse Produkte nicht mehr kauft, die Bank wechselt, etc.
Der „schlafende Riese“, wie wir Konsumenten auch genannt werden, ist dabei zur Eigenverantwortlichkeit zu erwachen. Wenn alle Welt schon dazu erwacht wäre, würde unsere Gesellschaft mitsamt dem Gesundheitswesen anders aussehen! Unsere heutige Gesellschaft lebt vom andauernden Schlaf des Riesen – er soll bloß nicht aufwachen und nachzudenken beginnen! Deshalb versucht man ihn in Albträumen gefangen zu halten…
- 5. Schritt – Entwicklung neuer Lebensformen anhand des Ideals
Wer selbst zur Eigenverantwortlichkeit erwacht ist, wird auch die Erziehung zur Selbstverantwortung in Familie, Schule, Arbeitsplatz, in der ganzen Gesellschaft fördern. Hier handelt es sich um eine Art Stabilisierungsphase von neuen Entwicklungen und neuen Lebensformen: Ich weiß, was ich will und verstärke gesellschaftliche Trends im Sinne meines Ideals.
- 6. Schritt – Entwicklung neuer Gesellschaftsformen
In dieser Phase erleben wir, dass unser Einfluss auf unser Umfeld gewachsen ist und wir an weit über uns hinausgehenden Entwicklungen beteiligt sind und Verantwortung dafür übernehmen. Wir beeinflussen jetzt die Verhältnisse in einem viel größeren gesellschaftlichen Rahmen – oft auch ohne selbst im Rampenlicht zu stehen.
- 7. Schritt – Zukunftsfähigkeit durch Erneuerung mithilfe des Ideals
Die Herausforderung dieser letzten Phase besteht darin zu erkennen, dass eine Initiative, ein Unternehmen, eine Gemeinschaft oder Gesellschaft nur zukunftsfähig sind, wenn sie erneuerungsfähig bleiben. Mit der Einsicht in die Notwendigkeit der Erneuerung beginnt dann eine neue Runde.
Anhand dieser kurzen Ausführungen wird erkennbar, dass Ideale unser Bewusstsein sukzessive erweitern und dass sie zuerst in uns wirken und dann um uns. Spätestens ab dem 4. Schritt, ab dem unser Engagement für ein Ideal in der Gesellschaft wirksam wird, bekommen wir es möglicherweise mit der Angst zu tun. Ab dem Punkt greift man sichtbar in die Geschichte ein. Doch Mut und Angst flankieren den Menschen lebenslang auf seinem Weg der Verwirklichung seiner Ideale.
Vgl. Nachschrift des Vortrags „In sieben Schritten aus der Krise – der Weg vom Ideal zur Wirklichkeit“, gehalten am 16.10.2009 in Pforzheim