Ideale, Führung und Zusammenarbeit
Wie wirken sich Ideale auf unser Leben aus?
Wofür sind sie nicht gedacht?
Welche Aufgabe hat das Leitbild einer Institution?
Wie lassen sich die Ideale einer Institution verwirklichen?
Welche Rolle spielt dabei der Einzelne, welche die Institution?
Richtungweisende Instanz für uns selbst
Die Ideale einer Institution nennt man heute „Leitbild“. Es sollte möglichst einfach formuliert sein und im Hinblick auf die christliche Orientierung so zugänglich, dass jeder Mensch, der hier arbeitet, seinen ganz persönlichen Bezug dazu herstellen kann. Je nach Funktionsbereichen und Verantwortlichkeiten sollten Wege und Bedingungen gefunden werden für Momente der Reflexion, für Einzelne und im Miteinander.
Wir dürfen Ideale nicht dazu missbrauchen, andere zu verurteilen oder etwas von ihnen einzufordern. Wir müssen das Ideal als richtungweisende Instanz in uns selbst begreifen lernen, die uns aus der geistigen Welt begnadet. Dazu gehört anzuerkennen, dass in einem Betrieb oder einer Institution zwar hohe Ideale angestrebt werden können (vgl. Zusammenarbeit: Orientierung am gemeinsamen Ziel), dass das aber noch lange nicht bedeutet, dass sie bereits beherrscht und umgesetzt werden. Wir gleichen uns alle in der Hinsicht, dass wir noch längst nicht errungen haben, was uns als ideal erscheint.
Humorvoller Umgang mit Idealen
Ideale sollten wie Sterne am Himmel angesehen werden, wie Boten, wie Wesenhaftes aus der geistigen Welt. Sie haben Führungskompetenzen, die auf Erden wirksam werden, wenn sich Menschengemeinschaften auf individuelle Art zu ihren Idealen emporarbeiten und sich davon stärken, begnaden und inspirieren lassen. Dabei entsteht eine Art spirituelle Brüderlichkeit, bei der es nicht darauf ankommt, ob jemand Anfänger ist oder fortgeschritten, ob jemand gerade einen großen Fehler begangen hat oder das Glück hatte, drei Jahre lang keinen nach außen hin sichtbaren Fehler zu machen. Man schafft es miteinander, leise schmunzelnd …
Wer sich auf das Ideal besinnt, kann wieder lächeln. Es gibt das chinesische Lächeln des Friedens. Das christliche Lächeln hingegen ist das humorvolle Schmunzeln, das weiß, dass der Weg noch weit ist, aber das Ziel schon zu sehen ist und sich in jedem Augenblick ein kleines bisschen realisieren lässt. Dieser wundervolle Widerspruch kann humorvoll stimmen, bringt Leichtigkeit ins Leben – dann habe ich im Kleinen, was ich im Großen suche.
Bedingungen schaffen für Entwicklungsprozesse
Damit aber nicht genug: Wenn ich das Gute nur denke, frustriert es mich irgendwann. Ich will mich davon auch begeistern lassen, will daran arbeiten, bis ich die Kraft finde für neue Schritte im Schaffen von neuen Bedingungen für Entwicklungsprozesse. Kreative Erneuerungsprozesse sollten nicht nur als Reaktion auf ungute Umstände wie die Finanzkrise stattfinden, sondern sollten direkt der Liebe zum Guten entspringen. Dann mobilisieren sie neue Kräfte und helfen uns, uns über kleine Fortschritte zu freuen (vgl. Mysterien und Initiation: Christliche Mysterien – Kultur der Verantwortung und Mitgestaltung). Man kann persönlich stolz darauf sein, wenn kleine Veränderungsprozesse stattfinden und man weiß, man hat selbst etwas dazu beigetragen, es ging nicht von der sogenannten Leitung aus.
Wahre Führung, von der entwicklungsfreundliche Impulse ausgehen, kommt aus der geistigen Welt in Form der Ideale, von denen das Haus sich leiten lässt. Dem gegenüber ist die Funktion, die „Machtbefugnis“, die die einzelnen Mitarbeiter haben, von untergeordneter Bedeutung. So kann eine brüderliche bzw. horizontale Vernetzung entstehen.
Die Gewissheit, dass unser wahres Wesen sich nicht im heutigen Menschen verkörpern kann, dass dieser höhere Wesenskern aber herein leuchten, hindurch leuchten und ausstrahlen kann in dem Maß, in dem wir ihn durch unser Denken und Handeln „anziehen“, kann uns in der therapeutischen Arbeit begleiten und unserem Tun die notwendige therapeutische Ausstrahlung verleihen.
Diesen Entwicklungsschritt muss jede Institution früher oder später schaffen, wenn sie authentisch bleiben, und den Geist, der in ihr lebt, nicht verleugnen will. Nur so wird sie zukunftsfähig sein und ihre Ausstrahlung behalten.
Vgl. Festvortrag zum 40jährigen Jubiläum des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke, am 10.11.2009