Erziehung zur Gewaltlosigkeit in den ersten drei Jahrsiebten

Wie kann man Kindern helfen mit Frustration umzugehen?

Wie hängen Aggression und Frustration zusammen?

Was bedeutet Erziehung zur Gewaltlosigkeit jeweils im 1., 2. und 3. Jahrsiebt?

Welche Rolle spielt die Haltung des Pädagogen bzw. Therapeuten?

Leibliche Gewaltlosigkeit veranlagen

Gleich zu Beginn ein Beispiel: Wenn Kinder mit acht Jahren immer noch ausschließlich Nudeln und Sauce essen, weil sie nicht gelernt haben, anderes zu verdauen, ist das eine Unterlassung seitens der Erzieher. Dass Kinder mit drei, vier oder fünf Jahren erst mal nur Nudeln und Soße mögen und alles andere ablehnen, ist relativ normal. In diesem Alter kann man noch den Ehrgeiz wecken, Neues zu probieren, indem man das Kind mit dem kleinsten Mokkalöffel, den man im Haushalt findet, von allem, was es nicht mag, drei ganz kleine Löffelchen probieren lässt: drei ganz kleine Salatblättchen, drei winzige Löffelchen Spinat.

Das ist deshalb nötig, weil die Sympathie- und Antipathie-Kräfte in diesem Alter leibbezogen wirken und auf dieser Ebene trainiert werden müssen. Wenn wir das Kind nicht auch auf dieser Ebene erziehen, werden ihm später, wenn Sympathie und Antipathie im Gefühl freiwerden, die Grundlagen für diesen weiteren Erziehungsschritt fehlen. Bei Kindern, die bis zu neun Jahren in Bezug auf ihre leibbezogenen Sympathien und Antipathien dazulernen durften – mit dem nötigen Humor und guten Einfällen –, kommt es, wenn die Kräfte von Sympathie und Antipathie seelisch freiwerden, allenfalls zu verbaler Gewalt, aber nicht mehr zu körperlichen Übergriffen. Das ist bereits durch die Erziehung in der leibbezogenen Phase aufgelöst worden.

Gründe für und Umgang mit Frustration

Die Hauptquelle für Aggression und Zerstörungslust bei Kindern und Jugendlichen ist Frustration (vgl. Aggression: Aggression, Wut und Wille). Frustration ist Willenskraft, die keine Orientierung findet. Wenn jemand frustriert ist, weiß er nicht mehr, was er machen soll. Er wurde durch irgendetwas bei dem, was er machen wollte, gestoppt, sein Vorhaben wurde verhindert, sein Wille blockiert. Er ärgert sich und fühlt sich missverstanden. Und je frustrierter ein Mensch ist, umso niedriger ist seine Aggressionsschwelle. Wenn ein Kind oder Jugendlicher aggressiv wird, geht es nicht darum zu fragen:

Wer hat Schuld?

Warum ist dieser junge Mensch so unglücklich, so selbstunzufrieden, so frustriert, dass seine Reaktionsschwelle, seine Aggressionsschwelle so niedrig war?

Das ist die entscheidende Frage (vgl. Aggression: Zum Verständnis der Aggressionsbereitschaft). Denn jeder von uns würde aggressiv reagieren, wenn er nur ein genügendes Maß an Schlafentzug und Hunger hätte. Wir alle haben erfahren, wie niedrig unsere eigene Aggressionsschwelle wird, wenn wir uns unwohl fühlen. Wenn wir bis ins Physische hinein durch Hunger, Schlaflosigkeit, Müdigkeit und Erschöpfung frustriert sind.

Freiwerden der Seelenkräfte in Jahrsiebten

Dazu brauchen es ein durchgreifendes Konzept, das das Freiwerden der Seelenkräfte von Denken, Fühlen und Wollen berücksichtigt:

  1. Diese Seelenkräfte manifestieren sich im 1. Jahrsiebt im Denken als leibbezogene Sympathie und Antipathie: Dazu gehört das Erkennen von Mein und Dein ein, und das Schmecken von: versus „Das mag mag ich!“ .

  2. Sie zeigen sich im 2. Jahrsiebt im Fühlen als Sympathie und Antipathie im Gefühl.

  3. Sie äußern sich im 3. Jahrsiebt als Idealismus im Wollen als Sympathie und Antipathie gegenüber Ideen: dass man sich für bestimmte Ziele entscheidet und einsetzt, und anderes sein lässt. Das bildet die Grundlage der Unterscheidungskraft, die Voraussetzung für das Bilden von Urteilen. All das bekommt seine Schubkraft durch das Gefühl.

Intention, Motivation und moralische Fantasie

Das Freiwerden der Seelenkräfte im Zuge der ersten drei Jahrsiebte ist eng mit dem jeweiligen Potential unserer Wesensglieder verbunden, das in Konflikten und deren Lösung unterschiedlich zum Tragen kommt:

  • Intention resultiert aus der Integrationskraft des Ich.

  • Motivation resultiert aus der Differenzierungskraft des Astralleibes.

  • Moralische Fantasie, die gedankliche Gestaltungskraft, die Möglichkeit zu überlegen, wie man etwas umsetzt, resultiert aus der gedanklichen Flexibilität des Ätherleibes.

Wenn man frustrationsbedingter Aggression vorbeugen bzw. diese behandeln will, ist es entscheidend, um diese Zusammenhänge zu wissen. Denn es geht hierbei vor allem darum, die Integrationskraft des Ich in allen Polarisierungsstufen, die der Leib bietet, zu stärken (vgl. Wille(nsschulung): Übersicht über die neungliedrige Willensnatur).

Notwendige Frieden stiftende Qualitäten

Um Kinder und Jugendliche in Richtung Gewaltlosigkeit begleiten zu können, sind besonders zwei Qualitäten auf Seiten des Erwachsenen nötig:

  • Wohlwollen

Hier geht es darum, im Astralleib die Grundtugend, die Steiner „wohlwollend“ nennt, zu entwickeln. Bildlich gesprochen muss man um das Kind und den Jugendlichen herum eine wohlwollende Atmosphäre schaffen. Das bedeutet, egal, wie bizarr der Astralleib sich stellenweise äußert, – wenn die Erwachsenen wohlwollend bleiben, kann der junge Mensch sich in seiner Astralität gesund entwickeln. Denn er bekommt durch das Wohlwollen immer wieder eine neue Chance, eine Art Korrektiv. Im Wohlwollen lebt Verständnis, lebt der Sinn für die Probleme des Lebens, lebt die wichtigste Tugend, die Empathie.

  • Selbsterkenntnis

Zweitens braucht man als Pädagoge und Therapeut Selbsterkenntnis. Jeder, der mit Astralleibern, die „aus der Bahn geraten“ sind, präventiv oder therapeutisch umgehen will, braucht ein klares Verständnis der eigenen Aggressionsbereitschaft (vgl. Aggression: Aggressionsbereitschaft und Lebensgestaltung). Man muss genau wissen: „Ich hätte genauso gehandelt, wenn ich in meiner Erziehung dieselben Probleme gehabt hätte wie der Andere. Und ich weiß ganz genau, unter welchen Einflüssen die Aggressionsschwelle so sinkt, dass man losschlagen möchte, dass man Gewalt anwendet. Ich weiß ganz genau um diese Hintergründe.“ Man muss darum wissen, um mit aggressionsbereiten Jugendlichen arbeiten zu können. Sie müssen spüren, dass man sie versteht, sonst kann man ihnen nicht helfen. Mit anderen Worten: Wenn man den Astralleib nicht versteht, hat man keine Chance zu helfen.

Diese ganze Erdveranstaltung ist ja dazu da, dass wir uns individualisieren (vgl. Menschheitsentwicklung: Individualisierung als Entwicklungsmotiv). Dabei spielt der Astralleib in jeder Inkarnation die Hauptrolle.

Vgl. Vortrag an der Schulärztetagung 2012