Denken, Fühlen und Handeln als soziale Kräfte verstehen

Können wir konkret empfinden, dass auch die unsichtbare Welt und das Unsichtbare unseres Seins Einfluss auf die Welt haben?

Warum ist das möglich?

Das Unsichtbare unseres Seins als leibfreie Kräfte

Im Unsichtbaren unseres Denkens und Fühlens wurzelt unsere Haltung und die Art, wie wir das Sichtbare gestalten, die Art, wie wir denken, fühlen und aus welchen Impulsen wir handeln.

Das hat bisher nur Rudolf Steiner profund erklärt, das können Sie in seinen Werken ausführlich nachlesen. Er ist der Frage nachgegangen, woher die Kraft des Denkens und Fühlens kommt. Emotionen haben ja eine Wucht, viele können es spüren, wenn jemand sie hasst oder negativ an sie denkt. Vor allem Kinder spüren, wie man ihnen gegenüber eingestellt ist. Die Magie des unsichtbar Wirksamen, das von Gedanken, Gefühlen, Bestrebungen und Intentionen ausgeht, das hat eben auch einen Ursprung. Diese Zusammenhänge erforschte Rudolf Steiner sein ganzes Leben lang immer detaillierter und beschrieb sie in seinem letzten Buch für Ärzte1 als Metamorphose der Lebenstätigkeit oder der Wachstums- und Regenerationstätigkeit in Gedankentätigkeit (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Die Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte).

  • Denken durch leibfreie Wachstumskräfte

Das bedeutet konkret, dass wir mit den ätherischen Aufbau-Kräften denken, die der Körper für seine Entwicklung nicht mehr braucht.

Deswegen entwickelt sich das Denken in Kindheit und Jugend überhaupt erst von Jahr zu Jahr (vgl. Denken: Entwicklung der Organsysteme und Denken). Rein neurobiologisch gesehen braucht das Gehirn die aktive, selbsttätige Auseinandersetzung mit der Welt und anderen Menschen, um sich überhaupt gesund entwickeln zu können für eine autonome Selbstbestimmung und Selbstreflexion. Dieser Prozess dauert fünfzehn bis sechzehn Jahre und lässt sich nicht abkürzen. Erst mit sechzehn ist der Jugendliche demnach in der Lage selbstverantwortlich zu denken. Vorher sind die entsprechenden Ätherkräfte noch mit dem Körperaufbau beschäftigt.

Schwächung durch Missbrauch von Entwicklungskräften

Wenn man Kinder schon früh konditioniert und an wirklichkeitsfremde, virtuelle Sinneseindrücke gewöhnt, sie damit auch abhängig macht, sie zu guten Konsumenten erzieht und ihnen die Digitalisierung als die Zukunft und das Allerwichtigste verkauft, werden ihnen verfrüht Kräfte entzogen, die sie erst gar nicht zu dieser Selbständigkeit gelangen lassen (vgl. Medienpädagogik: Negative Folgen einer zu frühen Gewöhnung an digitale Medien). Dann hat man ständig mit Medien und virtuellen Welten befasste unterhaltungsabhängige Menschen, die nicht mehr selbständig denken (können) (vgl. Medienpädagogik: Herausforderungen des digitalen Zeitalters für Erziehung und Therapie). Eine kleine Elite weiß das, wie z.B. die großen Hightech-Chefs, wie Steve Jobbs, der Apple-Gründer, der seine Kinder auf die Waldorfschule schickte, und Jeff Bezos, der Amazon-Begründer, der seiner Tochter erst mit 14 ein Smartphone gab (vgl. Medienpädagogik: Goldene Regel für den Umgang mit Technik und Medien). Doch alle Welt sollte sich schon in der Kinderkrippe an den Umgang mit Medien gewöhnen. „Jedem Toddler sein Tablet“ ist nicht nur ein Slogan, sondern auch ein Riesen-Wirtschaftsfaktor.

Es gibt keine Studie, keine Vergleichsstudie, keine wissenschaftliche Evidenz, ob das gesund ist! Die Evidenz, dass es schädlich ist, wird nicht zur Kenntnis genommen. Politik und Wirtschaft sind noch nicht geneigt, dem nachzugehen.

Mehr Gedankenkapazität mit zunehmendem Alter

Auch beim Älterwerden verlassen die nicht mehr gebrauchten Lebens- und Regenerationskräfte kontinuierlich den Körper, weswegen wir zu schrumpeln anfangen und devitalisieren (vgl. Entwicklung: Stadien der menschlichen Entwicklung). Auf der anderen Seite aber haben wir dadurch die Chance weise zu werden, neue Denkformen zu entwickeln und auch immer sozialer zu denken. Denn man denkt auch jetzt mit den Kräften, auf die man körperlich verzichtet. Sie stehen geistig zusätzlich zur Verfügung. Wenn wir sterben, verlässt der letzte Rest der Lebenskräfte den physischen Leib, wodurch der körperliche Zerfall beginnt. Unsere Lebenszeit ist ein ständiges Weben zwischen Intellektualität und Vitalität. Deswegen wirken sich auch gute Gedanken, Sinnhaftigkeit, Meditation, Spiritualität immer wohltätig auf die Gesundheit aus (vgl. Gesundheit: Gesundheit und Denken). Weil beides ätherischen Kräften entspringt und sich somit entspricht und zusammengehört.

  • Fühlen durch leibfreie Differenzierungskräfte

Entsprechend formulierte Rudolf Steiner, dass wir all die Kräfte, die unser seelisches Erleben ermöglichen, den leibfrei gewordenen Differenzierungskräften verdanken, die uns in Mann und Frau differenzieren, die die Zelldifferenzierung besorgen. Sie erzeugen Bewusstsein, indem sie Differenzen schaffen. Wenn diese wunderbaren Kräfte den Körper verlassen, ermöglichen sie Empathie und echtes Mitgefühl mit anderen. Wir können mit unserer Seele zu dem anderen wie hingehen, weil sie jetzt rein geistig zu agieren vermag (vgl. Doppelnatur des Ätherischen: Körpergebundenes Leben und leibfreies Denken).

Im Hinblick auf die Frage, welcher Sozialimpuls sich aus diesem Menschenbild ergibt, möchte ich fünf Aspekte nennen, die eng verbunden sind mit der menschlichen Konstitution, der sie entspringen.

  • Wollen durch leibfreie Integrationskräfte

Zuletzt ermöglichen die Integrationskräfte aus der Ich-Organisation, die freiwerdenden Willenskräfte, die den Körper zu einer in sich stimmigen Ganzheit haben werden lassen, nun, nachdem sein Körper ausgewachsen ist, die Mündigkeit des jungen Erwachsenen (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen der Ich-Organisation). Jetzt erst kann er autonom und zur Gänze über sein leibfrei-geistiges Willenspotential verfügen.

Die Quinta Essentia umfasst somit die Kräfte, die aus dem Körper bereits wie herausgestorben, sprich: leibfrei geworden sind. Wie man mit diesen Kräften bei Tage umgeht, wie man denkt, fühlt und handelt, hat einen unmittelbaren Einfluss auf Regeneration und Gesundheit (vgl. Gefühle und Fühlen: Gefühl und Wesensglieder). Auf diese Zusammenhänge möchte ich noch kurz eingehen, bevor ich auf die konkreten Sozialimpulse zu sprechen komme.

Regeneration in der Nacht

Jede Nacht gehen Astralleib und Ich, Seele und Geist, zur Regeneration hinaus in den Kosmos, aber auch hin zu den anderen Menschen, mit denen man es bei Tage zu tun hatte (vgl. Wesensglieder: Wesensgliederaktivität bei Nacht). Der leibfreie Anteil des Ätherleibes dagegen geht nachts zurück in den physischen Leib, um an der Regeneration des Nervensystems mitzuwirken, das tagsüber durch die Reflexionstätigkeit des Gehirns abgebaut hat. Deshalb sind wir abends erschöpft und fühlen uns morgens wieder erfrischt. Von der Art unserer Gedanken bei Tage hängen Grad und Qualität der Erholung bei Nacht ab. In anderen Worten: Je wahrhaftiger jemand tagsüber denkt, desto mehr kann die Ordnung im Körper nachts wieder hergestellt werden. Dissoziiertes und materialistisches Denken, wirkt sich dagegen schwächend auf die Vitalität aus (vgl. Trauma – Ursachen und Behandlung: Sinnfindung als Weg der Heilung).

Insofern kann man sagen, dass es sehr sozial ist, gute Gedanken miteinander zu bewegen, z.B. im Rahmen der Zweigarbeit. Das teilt sich der Gedankensphäre einer Stadt mit. Wenn irgendwo gute Gedanken gedacht werden, können sie aber auch an anderen Orten „einfallen“ (vgl. Gedankenkraft: Vernetzte Gedanken). Das ist eine tief soziale Tätigkeit.

Vgl. Vortrag „Der Anthroposophische Sozialimpuls“ in Wien, Mai 2018

  1. Rudolf Steiner, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.