Sozialimpuls aus dem Astralischen (Seelischen)

Welche Sozialimpulse erwachsen aus der astralischen Seinsebene?

Schwierige seelische Umgestaltung

Beim Seelischen geht es „an das Eingemachte“ (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des Astralleibes). Wir wissen ja alle viel mehr, was wir tun sollten, müssten, gerne würden – und wir spüren, da sind seelische Widerstände, sodass wir es nicht vermögen (vgl. Ideale: Ideale, Führung und Zusammenarbeit). Die große Frage an die eigene Seele ist:

Liebe Seele, du mit deiner Fähigkeit zu fühlen und zu wollen, mit deinen Sympathien und Antipathien, du Bewusstseinsraum in mir, was brauchst du denn, damit du empfänglich wirst für das, was dein Höheres, wahres Ich, dein besseres Selbst, wirklich will?

Das, was sich als Ich-Organisation verkörpert, gibt dem physischen Leib sein Ich-Bewusstsein (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen der Ich-Organisation). Das ist aber leibgebunden. Das ist das niedere Ich. Das Höhere Ich ist nicht leibgebunden (vgl. Identität und Ich: Das Ich als Kern der Persönlichkeit). Daran kann ich Anschluss suchen und finden durch mein freies Wollen, durch meine Liebe zum Geist, und durch meine Gedanken der Erkenntnis, auch meine Menschenerkenntnis.

Alles, was man mit Selbstmanagement, Selbstwirksamkeit, Selbsterziehung meint, hat mit der Umgestaltung des Astralleibes hin zu einem Gefäß für das Höhere zu tun. Dass sich die Seele sozial orientieren kann, ist die Folge von Arbeit an sich selbst. Zur Selbstschulung hat Rudolf Steiner sehr viel gesagt, drei Aspekte davon möchte ich kurz nennen (vgl. Gemeinschaft(sbildung): Erkennen der eigenen Antisozialität).

Die drei antisozialen und sozialen Triebe

Diese Triebe sind in jeder Seele zu finden. Zum ersten Trieb ein Beispiel:

  • 1. Antisozialer Trieb im Geistigen: den anderen überzeugen wollen

Einer redet, in dem Fall ich, die anderen hören zu. Wenn Sie nicht aufpassen, schlafen Sie entweder ein oder, wenn Sie nicht ganz wach dabei sind, laufen Sie Gefahr, von mir überzeugt zu werden. Oder Sie wehren sich dagegen und versuchen ständig, das Wenn und Aber zu finden. Den anderen überzeugen zu wollen, ist ein antisozialer Trieb im Reden. Deswegen bemühe ich mich – mit mehr oder weniger Erfolg –, Dinge anzusprechen, ohne sie als das einzig Richtige darzustellen.

  • 1. Sozialer Trieb im Geistigen:

Wie spricht man so, dass man anderen hilft, etwas zu sehen, und sie trotzdem ganz frei zu lassen?

Sozial wäre, es so zu sprechen, dass der andere die Möglichkeit hat, das eine oder andere eigenständig ganz aus den eigenen Überlegungen selbst heraus zu finden und aufzugreifen und zu sagen: „Das leuchtet mir ein. ICH habe es MIR klargemacht, nicht die oder der Vortragende.“ Steiner formuliert es so: In einer Art zu reden, dass der andere sein Eigenes aus eigenem findet und nicht autoritätsgebunden. Nicht, die Wissenschaft hat es gesagt, nicht, der oder die gefällt mir, also glaube ich es auch. Gerade das nicht.

  • 2. Antisozialer Trieb im Fühlen: Wir täuschen uns sehr leicht in Menschen

Wir täuschen uns in anderen, weil wir unsere eigene Befindlichkeit in sie projizieren. Es kann sein, dass ich mit einer Frau spreche und sie freundlich nickt zu allem, was ich sage. Zuhause erzähle ich meinem Mann, dass sie sehr verständnisvoll zugehört und mit allem, was ich sagte, konform ging. Sie dagegen berichtet ihrem Mann von der Frau, die so viel Unsinn von sich gab, dass sie sich ihrer nur mit etwas Höflichkeit erwehren konnte und ihr deshalb immer zunickte, um sie endlich zum Aufhören zu bewegen.

Um genau dieses Phänomen geht es. Steiner sagte, dass wir beim Austausch auf der Gefühlsebene immer Gefahr laufen, uns zu täuschen. Deswegen gebe es nichts Besseres als die Ent-täuschung. Auch wenn es herb ist ent-täuscht zu werden, bedeutet es doch, dass man sich freimacht von einer Täuschung. Mit jeder Enttäuschung eine Täuschung weniger. Das ist im Grunde etwas Gutes.

Es geht darum, mit anderen Menschen so offen umzugehen, dass man immer damit rechnet, dass sie ganz anders sind, als man denkt. Damit kommt man der Wahrheit des Anderen näher und ist dann erst in der Lage, sich sozial zu verhalten.

  • 2. Sozialer Trieb im Fühlen:

Es geht darum, den anderen zu nehmen, wie er ist und nicht so, wie ich ihn haben möchte. Das ist Steiners Leitsatz als Abhilfe gegen das Antisoziale im Seelischen: „Man nehme den anderen, wie er ist und versuche daraus, das Beste zu machen.“ Als ich das zum ersten Mal ganz bewusst gelesen habe, wurde mir plötzlich bewusst, dass ich es genau andersrum mache: Ich nehme mich, wie ich bin, und erziehe mit Lust die anderen. Ich mache an den anderen rum und meine, ich dürfe so bleiben, wie ich bin. Laut Steiner haben jedoch die anderen das Recht, so zu sein, wie sie sind, und ich habe die Aufgabe, mich so zu ändern, dass ich mit ihnen zurechtkomme. Das ist gut – wenn es nur nicht so wehtun würde.

  • 3. Antisozialer Trieb im Willen: Wir ärgern andere, wenn wir initiativ sind

Dieser antisoziale Trieb betrifft alle Menschen, die aktiv werden. Rudolf Steiner sagt, wenn wir etwas tun, sind wir immer in der Gefahr, unsere Mitwelt zu ärgern. Wer Initiative zeigt, muss damit rechnen, dass er bestimmte Menschen ärgert.

  • 3. Sozialer Trieb im Willen:

Einerseits ist es gut zu wissen, dass man prinzipiell zum Ärgernis wird, wenn man etwas tut, dass das nichts Persönliches ist. Wenn man jedoch aus einem sozialen Impuls heraus aktiv werden will, geht es darum, es so zu tun, dass sich möglichst wenige dadurch gestört fühlen. Der antisoziale Trieb macht mir bewusst, dass ich es mit ganz unterschiedlichen Individualitäten zu tun habe, die alle ganz anders sind als ich. Der soziale Trieb sagt mir, dass alle zu ihrem Recht kommen müssen. Er zielt darauf ab, das, was mir wichtig ist, so zu vermitteln, dass es auch für alle anderen akzeptabel, ja vielleicht sogar nützlich ist und ihnen hilft. Das ist auf der Willensebene besonders schwierig, weil man da Geduld braucht. Man muss warten können – manchmal Jahrzehnte lang.

Geduld für Reifeprozess

Dazu ein Beispiel: Als ich ans Goetheanum kam, habe ich mir von Anfang an gewünscht, dass alle, die dort in Führungspositionen sind, wie die Sektionsleiter, harmonisch und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Das war mein Ideal. Es hat 26 Jahre gebraucht, bis alle ganz aus sich heraus diese Form der Zusammenarbeit als Goetheanum-Leitung entstehen ließen – und nicht nur, weil ich es so wollte. Wir sagten alle, wir brauchen eine Ebene, auf der jeder, der eine Führungsposition innehat, die Möglichkeit hat, vollkommen gleichberechtigt Mitspracherecht hat beim Fällen der Entscheidungen über den Gesamtbetrieb (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Aufbau der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft). Darüber kann nicht nur einer entscheiden, der zwar die entsprechende Position hat, aber von der Thematik aus der Praxis der einzelnen Sektionen heraus kaum etwas versteht. Entscheidungen, die alle betreffen, müssen aus der Sache heraus gefällt werden und das geht nur, wenn die gesamte Sachkompetenz gebündelt wird. Erst dann hat man als Führungsgremium die Chance, verantwortbare Entscheidungen zu fällen. Der Prozess, bis alle das auch so empfanden und wollten, brauchte aber viel Geduld von meiner Seite. Es war ein langsamer Reifungsprozess.

Bestimmte Dinge brauchen sogar länger als man lebt und werden erst von der nächsten Generation in Angriff genommen. Der soziale Trieb im Willen ist mit Verzicht verbunden und mit der Kultur von Geduld. Warten können, bis etwas reif ist: bis der richtige Zeitpunkt, der richtige Ort und die richtigen Menschen zusammenkommen sind und eine Situation so gereift ist, dass alle merken, dass genau das jetzt dringend gebraucht wird. Wenn man dann einen Gedanken dazu äußert, sind alle froh darüber. Dann stößt sich niemand mehr daran. Der soziale Trieb im Willen arbeitet mit der Zeit, ist entwicklungs- und reifeorientiert.

Im Seelischen spielen solche Tugenden wie Geduld, Andacht, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Toleranz u.a.m. eine wichtige Rolle, das ist alles Teil der Seelenlandschaft (vgl. Gottebenbildlichkeit des Menschen: Die Gottebenbildlichkeit des Astralleibes).

Vgl. Vortrag „Der Anthroposophische Sozialimpuls“ in Wien, Mai 2018