Auswirkungen von Lebenssicherheit auf Mensch und Erde

Warum ist der Erwerb von Lebenssicherheit heute wichtiger denn je?

Welche Wirkung haben die Wesensglieder aufeinander?

Warum lohnt es sich, Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit zu erringen?

Wie wirkt sich unsere persönliche Entwicklung auf die Erden- und Weltenentwicklung aus?

Einfluss der höheren auf die niedrigeren Ordnungen

Die Betrachtung der Naturreiche zeigt, dass die höhere Naturordnung die nächstniedere durchdringt und beherrscht. So fügen sich beispielsweise die mineralischen Substanzen im Organismus einer Pflanze zu ihren Lebzeiten der Gesetzlichkeit des Lebens bzw. des Ätherischen ein und folgen erst wieder ihrem eigenen anorganisch-physischen Gesetzeszusammenhang, wenn die Pflanze welkt und abstirbt.

Entsprechend wirken auch die Wesensglieder1 im Menschen so aufeinander, dass die Funktionen des höheren Wesensgliedes diejenigen des nächstniederen maßgeblich beeinflussen, ja bestimmen – manchmal über mehrere Inkarnationen hinweg (vgl. Wesensglieder: Wirken der Wesensglieder in aufeinanderfolgenden Erdenleben).

  • Auswirkung von Geist-Erkenntnis auf die Ich-Organisation

Mit Hilfe der Ich-Organisation kann der Mensch seine Intentionalität bzw. Willensbereitschaft auf alles richten, was ihm in Form von Gedanken oder Sinneseindrücken auf der Erde begegnet. Das ermöglicht reine Geistesgegenwart, völlige Unbefangenheit den Dingen der Welt gegenüber und Anwesenheit des Menschen-Ich in seiner körperlichen und seelisch-geistigen Existenz (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen der Ich-Organisation). In diesem Wesensglied sind wir immer „Herr der Lage“, indem es von uns abhängt, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wie wir unseren Willen einsetzen und demgemäß im Denken und Handeln tätig werden.

Die Ich-Organisation ist auch das Wahrnehmungsorgan für spirituelle Weisheit, die sich dem Menschen beim Studium der Geisteswissenschaft als Geist-Erkenntnis offenbart. Und nicht nur das, sie hilft ihm auch, das richtige Maß zu finden und den richtigen Zeitpunkt abzuwarten bei der Umsetzung der erkannten Weisheiten auf sein Leben.

Dazu Rudolf Steiner in einem Vortrag in Basel, am 23. Februar 1911: 2 „Wenn er (der Geistschüler) erst zerren und schieben soll, verzichtet er vorläufig. Er weiß, er muß warten. Er kann warten, weil er von der Ewigkeitsdauer des Lebens durchdrungen ist, und weil er weiß, daß das Karma, das er nicht außer acht läßt, jedem gibt, was ihm werden soll. Dann kommt irgendein Zeitpunkt, da bekommt er einen inneren Wink, und die Mächte der geistigen Welt offenbaren ihm die Antwort. Vielleicht geschieht das nach Jahren, vielleicht erst nach mehreren Inkarnationen. Das charakterisiert die richtige Gesinnung: Warten können, Geduld, Gleichmaß entwickeln, nichts übereilen.“

  • Auswirkung spiritueller Weisheit auf den astralischen Organismus

Schon weniger als Herr der Lage erleben wir uns im astralischen Organismus mit seiner wogenden Gefühlswelt, mit dem Begehren und Wünschen, mit all den Empfindungen, die wir begrüßen und bejahen, aber auch mit all den Missstimmungen und Blockaden, über die wir uns ärgern und über die wir oft trotz großer Mühe wenig oder gar nicht hinwegkommen (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des Astralleibes).

Dennoch können wir auch erleben, welchen „zügelnden“ Einfluss das Ich auf den Astralleib haben kann. Wenn unser Astralleib die spirituellen Weisheiten „wie ein Schwamm“ aufsaugt, wird er davon wie durchlichtet und fähig, sich den „Weltverhältnissen freiwillig hinzugeben“, wie Rudolf Steiner es ausdrückt. Die Folge ist eine Erfrischung und Aufhellung des Seelenlebens. Alles geht plötzlich leichter, die Gefühle sind heller, strahlender, das ganze Lebensgefühl verändert sich dadurch.

Jenseits der Todesschwelle wird diese so ins Astralische aufgenommene Weisheit zu einem Licht in der spirituellen Welt. Rudolf Steiner beschreibt es in dem genannten Vortrag so: „Nur die Weisheit, welche die Menschen aufnehmen durch Christus, indem sie sagen: Nicht ich, sondern der Christus in mir, nur diese Weisheit wird ein leuchtendes Licht sein für den künftigen Durchgang des Menschen durch die Pforte des Todes.“

  • Auswirkung lebensbejahender Gefühle auf den ätherischen Organismus

Der ätherische Organismus wiederum ist in hohem Maße davon abhängig, wie das ihm übergeordnete Wesensglied, der Astralleib, mit den Aufs und Abs des Lebens zurechtkommt. Jeder, der sich nur ein wenig selbst beobachtet, weiß genau, wie sehr Gefühle und bestimmte Grundempfindungen die Lebensfunktionen beeinträchtigen oder fördern (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des Ätherleibes). Wer kennt nicht die verzehrenden Gemütsstimmungen, die einen nachts nicht schlafen lassen: nagende Zweifel und damit verbundene Gefühlsspannungen, Sorgen und damit verbundene Ohnmachtsgefühle. Vor allem Emotionen wie Neid und Eifersucht zehren an den Lebenskräften.

Freude und Herzlichkeit und ein gewisses Maß an Zufriedenheit und Ruhe hingegen sind Gefühle, die den Appetit anregen, die Atmung erfrischen, den Kreislauf und die Herztätigkeit unterstützen (vgl. Freude: Die Fähigkeit sich zu freuen). Ein Gefühlsleben, in dem die auftretenden Spannungen immer wieder ausgeglichen und die vielfältigen Gefühlsregungen immer wieder auch vollständig zur Ruhe gebracht werden (vgl. Meditation auf anthroposophischer Grundlage: Zusätzliche Lebenskräfte durch Meditation), ist Voraussetzung

  • für ein harmonisches Ineinandergreifen der Lebensfunktionen einerseits
  • aber auch für ein lebendiges, geordnetes Denken andererseits.

Beides entspringt den Kräften der ätherischen Organisation. Rudolf Steiner fasst diese Qualitäten unter dem Begriff „Frömmigkeit“ zusammen.

Über die Wirkung unseres Ätherleibes jenseits der Todesschwelle sagt er: „Haben wir den Ätherleib so durchdrungen mit echter, rechter Frömmigkeit, und er wird dann aufgelöst im allgemeinen Weltenäther, so haben wir an das Weltenall einen Ätherleib abgegeben, der von Frömmigkeit durchdrungen ist und der ganzen Welt zugutekommt. Sind wir aber unfromm, materialistisch, dann legen wir einen Ätherleib ab, der zersprengend, zerstörend wirkt, wenn er aufgelöst werden soll im allgemeinen Weltenäther.“

  • Auswirkung lebensgemäßer Ordnung und Harmonie auf den physischen Leib

Die Gesundheit des physischen Leibes wiederum ist abhängig davon, dass der Stoffwechsel mithilfe des Ätherleibes im Fließgleichgewicht gehalten wird und dass gute Gewohnheiten und ein hygienischer Lebenswandel nicht zu vorzeitigen Abnutzungserscheinungen führen (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des physischen Leibes).

Rudolf Steiner beschreibt die Auswirkung unseres Wissens um unsere geistige Natur auf den physischen Leib wie folgt: „Was aber so in unseren Leib hineinströmt dadurch, daß wir von unserem Zusammenhang mit dem Ewigen wissen, das ist Lebenssicherheit, und sie teilt sich bis in die Kräfte des physischen Leibes uns selber mit.“

  • Auswirkung von im Ewigen wurzelnder Lebenssicherheit auf die Erde

Das Grandiose ist nun, dass diese Art der Lebenssicherheit Auswirkungen über unseren Tod hinaus hat. Um mit Steiner zu sprechen: „Illusion ist es, wenn jemand sagt: Unser physischer Leib zerfällt bei unserem Tode nur in Erdenstaub. - Nein. Wie der physische Leib einmal zusammengefügt war, wie der Mensch ihn geformt hat, ist nicht gleichgültig. Wenn eine solche Sicherheit im Ewigen diesen physischen Leib durchzieht, dann geben wir der Erde das zurück, was wir als Sicherheit des Lebens uns angeeignet haben. Wir befestigen unseren Erdenplaneten mit dem, was wir uns während unseres Lebens erwarben. Unsere Lebenssicherheit geben wir durch den physischen Leib der Welt. In dem zerfallenden physischen Leib ist das Zerfallende nur Maja. Wer den physischen Leib durch den Tod verfolgt, sieht, daß der Grad von Lebenssicherheit, den der Mensch während des Lebens erworben hat, in unsere Erde hineinfließt.“

Und weiter: „So befestigen wir im Astralleib, im Ätherleib und im physischen Leib durch Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit dasjenige, was wir als Mensch als unser Bestes erarbeiten können für die ganze Evolution unserer Erde. So arbeiten wir an unserem Erdenplaneten, erwerben wir uns aber auch ein Gefühl dafür, daß der Mensch nicht einzeln, isoliert dasteht, sondern daß das, was er erarbeitet in seiner Seele, Wert und Bedeutung für das Ganze hat. Und wie kein Sonnenstäubchen ist, das die Gesetze des Weltalls nicht in sich trägt, so ist kein Mensch, der nicht durch das, was er tut und läßt, das Weltall aufbaut und zerstört.“

Unsere wichtigste und nachhaltigste Aufgabe auf Erden

Wer in dieser Hinsicht Selbsterkenntnis und Selbsterziehung übt (vgl. Selbsterkenntnis und Selbsterziehung: Notwendigkeit von Selbsterkenntnis), bemerkt zwar, dass er in jedem Augenblick auf sein Wesensgliedergefüge in förderlicher Hinsicht Einfluss nehmen kann, dass das meist aber gar nicht leicht ist, weil die Wesensglieder einen erstaunlichen Widerstand bieten. So kann es bisweilen fünfzehn oder gar zwanzig Jahre dauern, bis man dem Astralleib eine Veranlagung zu Ungeduld und Sich-Gehetzt-Fühlen abgewöhnt hat. Auch kann es große Mühe kosten, nur eine kleine Gewohnheit zu verändern, dem zyklisch arbeitenden Ätherleib mit seinen treuen gewohnheitsmäßigen Wiederholungen eine kleine Änderung beizubringen.

Bisweilen gelingt es aber auch während eines ganzen Erdenlebens nicht, obwohl man vielleicht täglich oder immer wieder über eine längere Zeit damit gerungen hat. Denn die Wesensglieder haben eine gewisse Konfiguration und Abgeschlossenheit, die sich in einem Leben nicht so leicht verändern lässt. Das kann man am physischen Leib besonders deutlich sehen: Der Fingerabdruck bleibt zeitlebens derselbe, auch die Statur und Konstitution – und dennoch gibt es viele Einzelheiten, die sich im Laufe des Lebens ändern können.

Trotz dieser Hemmnisse ist es grundsätzlich möglich und wichtig, durch Selbsterziehungsprozesse vom Ich aus in das eigene Wesensgliedergefüge einzugreifen. Solche Bemühungen erfüllen vielleicht sogar unsere wichtigste und nachhaltigste Aufgabe auf Erden. Dazu abschließend Rudolf Steiner: „Wir können ebensoviel dem fortschreitenden Weltprozeß geben, wie wir ihm nehmen, wie wir von ihm herausbröckeln können dadurch, daß wir uns nicht um den Werdegang kümmern, daß wir uns nicht mit Frömmigkeit durchdringen, uns nicht Lebenssicherheit erwerben. Durch diese Unterlassungen wirken wir ebenso an der Zerstörung des Planeten mit, wie wir durch die Aneignung von Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit ihn aufbauen. So ahnen wir allmählich, was die Geisteswissenschaft gefühlsmäßig uns werden kann, wenn sie den ganzen Menschen ergreift.“

Vgl. „Begabungen und Behinderungen“, 7. Kapitel, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004

  1. Rudolf Steiner verwendet mit Bezug auf die Wesensglieder den Ausdruck „Leib“ oft synonym mit „Organismus“ oder „Organisation“. Es ist mit diesen Worten stets auf den wirkenden, geformten Gesetzeszusammenhang hingewiesen, der eben ein in sich zusammenhängender, „organisierter“ ist.
  2. Rudolf Steiner, Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit, GA 127, Basel, 23. Februar 1911.