Knochenbildung unter der Führung der Ich-Organisation
Was ist die Rolle der Ich-Organisation im Rahmen der Wesensgliedertätigkeit?
Welche Tätigkeiten obliegen der Ich-Organisation bei der Knochenbildung ab der Embryonalentwicklung?
Warum ist ein gesundes Ausmaß an Schlaf wichtig für uns?
Knochenbildung als Beispiel
Am Beispiel der Knochenbildung – dem weitesten Weg, den ein Organ bzw. Organsystem bei seiner Bildung zu durchlaufen hat – schildern Rudolf Steiner und Ita Wegman in Kapitel XII von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“1 die Aufbau-Tätigkeit der Wesensglieder von der Embryonalentwicklung an.2 Die Knochenbildung beginnt als ein multifokales embryonales Entwicklungsgeschehen, das im Skelett des Erwachsenen gipfelt, als der aufrechten Menschengestalt, dem physischen Abbild des Ich3 oder im Sinne der Bibel in der Gottebenbildlichkeit (vgl. Gottebenbildlichkeit des Menschen: Die Gottebenbildlichkeit des physischen Leibes).
So komplex die Zusammenhänge auch sind, die in den 13 Absätzen von Kapitel XII beschrieben werden, so klar und systematisch erscheint der Aufbau. Zwanzigmal wird das Wort ‚Ich-Organisation‘ genannt, als die für den Grad des jeweils erforderlichen Aufbau- und Abbaugeschehens verantwortliche Instanz, der sich die Gesetzmäßigkeiten des physischen, ätherischen und astralischen Wirkbereichs unterordnen (müssen) (vgl. Wesensglieder: Wirkung der Wesensglieder aufeinander).
Zehn „Tätigkeiten“ der Ich-Organisation bei der Knochenbildung
Dabei werden zehn Prozessschritte in Betracht gezogen, die die Tätigkeit der Ich-Organisation kennzeichnen:
- 1. Abscheiden unorganisch fester Substanz
Dieses Abscheiden des Festen aus dem halbflüssigen Zustand des embryonalen Ernährungsangebots und deren Eingliederung in den eigenen Ätherleib.
- 2. Differenzierung der verschiedenen Organanlagen
Körpereigenes Eiweiß – Domäne des Ätherischen – wird zur Aufnahme von Luft und den damit verbundenen astralischen Gesetzmäßigkeiten gebracht. Der dadurch impulsierte Kohlenstoffmetabolismus ermöglicht die Differenzierung der verschiedenen Organanlagen aus der „noch undifferenzierten Organsubstanz“, wobei der Verzicht auf ‚perfekt-tierische Differenzierung‘ von der Ich-Organisation „gewissermaßen aufgesetzt“ wird.4 Man kann das Wort ‚aufsetzen‘ bildlich als ‚Krone aufsetzen‘ deuten – es steckt hier aber auch die Qualität des ‚sich Durchsetzens‘ darin.
- 3. Differenzierte Handhabung von Wärme
Die Wirkmacht der Ich-Organisation beruht auf ihrer Herrschaft über den Wärmezustand, den sie differenziert handhaben kann: „Diese Ich-Organisation lebt ganz in Wärmezuständen. Sie holt aus der allgemeinen Astralwesenheit die einzelnen Organe heraus. Sie betätigt sich dabei an der allgemeinen, durch das Astralische herbeigeführten Substanz so, dass sie den Wärmezustand eines sich vorbereitenden Organs entweder erhöht oder vermindert.“5
- 4. Verminderung von Wärme
Verminderung von Wärme führt zur Aufnahme von Salzsubstanzen.6
- 5. Erhöhung von Wärme
Erhöhung von Wärme dient der Auflösung von Organischem.7
- 6. Erkrankung als Regulationsmöglichkeit
Möglichkeiten zu erkranken, wenn der Organismus nicht genügend Wärme für ein Organgebiet zur Verfügung stellen kann, und dieses daher zu verhärten droht; oder, wenn ein Organ fertig ausgebildet ist, die Dynamik zwischen Organgebrauch und dessen Regeneration gestört ist.8
- 7. Arteriosklerose als notwendiges „Austreiben der Ich-Organisation“
Das Krankheitsbild der Arteriosklerose ist die Folge eines solchen „Austreibens der Ich-Organisation“ aus einem Organ, das nicht verhärten soll, sondern zwischen Flüssigem und Luftförmigen in den Prozessen der Auflösung gehalten werden muss.9
- 8. Abkühlung zur Drosselung des Astralischen
Mögliche Gestaltmissbildungen treten auf, wenn es der Ich-Organisation nicht gelingt, den für dieses Organgebiet notwendigen Abkühlungsgrad zu erreichen. Dann setzen sich im astralischen Wirkbereich der eine oder andere mögliche Gestaltbildungsprozess durch. Als Beispiel werden rachitische Erkrankungen genannt, d.h. ganz generell Knochenstoffwechselstörungen, zu denen maßgeblich auch die Osteoporose gehört.10
- 9. Integration von Ausscheidungsprodukten
Hier geht es um die Biochemie der exokrinen und endokrinen Drüsenerzeugnisse. Diese werden als differenzierte Absonderungs- und Ausscheidungsprodukte der astralischen Tätigkeit geschildert, die von der Ich-Organisation in das Ganze integriert und reguliert werden müssen im Sinne des „Nichts zu viel und nichts zu wenig“11 – der Ur-Tugend des Maßhaltens, des Gleichgewichtwahrens.
In der Verrichtung dieser Tätigkeiten liegt etwas, das der Organismus für seinen Bestand braucht. Diese Tätigkeit ist ebenso notwendig, wie diejenige, die Stoffe in den Organismus aufnimmt oder in ihm ablagert. Denn in dem gesunden Verhältnis der beiden Tätigkeiten liegt das Wesen der organischen Wirksamkeit.12
- 10. Regulation von Harnsäure, die dem bewussten Denken dient
Der letzte Absatz widmet sich nochmals der Harnsäure. Sie steht als Ausscheidungsprodukt unter der Herrschaft des Astralleibes. Ihre Regulation hingegen – dass nicht zu viel und nicht zu wenig ausgeschieden wird – hängt von der Kompetenz der Ich-Organisation ab, insbesondere bei einer Substanz, die „bis zum Unorganischen getrieben“ ist,13 d.h. Kristalle bilden kann, wie die Harnsäure, die dem bewussten Denken dient (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Bedeutung von Harnsäure in Blut und Gehirn).
Gesundes Schlafmaß als Aufgabe
Daher ist der dem Ausscheidungsvorgang entgegengesetzte ‚Gegendruck‘ wichtig für die gesunde Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Dieser Gegendruck hat sein physiologisches Korrelat in der Rückresorption von 90 % der Harnsäure aus dem glomerulären Primärfiltrat der Nieren, wie in der Einleitung zu Kapitel XI erwähnt wurde. Otto Wolff weist in dem Zusammenhang auf zwei Experimente hin, die von anthroposophischen Ärzten durchgeführt wurden. Sie konnten einen Harnsäureanstieg im Urin feststellen nach einer bestimmten Zeit mathematischen Denkens.14 Ein mögliches Zeichen für die verstärkte Denktätigkeit der Ich-Organisation.
Der zum Schluss angeführte Schlaf, als die Voraussetzung für die Erhaltung der Gesundheit, wird damit auch zu einer Aufgabe für den individuellen Menschen, sein Schlafmaß im Einklang mit den Erfordernissen seines wachen Tageslebens zu regeln. Mit langem und kurzem Schlaf ist hier nicht irgendeine statistisch zu empfehlende mittlere Schlafdauer gemeint, sondern die Fähigkeit des Organismus, sich rundum zu erholen.15
Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 202516
- Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27, Kap. VII.
- Ähnliches gilt natürlich für die Entwicklung aller Organsysteme. Was Biologen und Biochemiker bis heute immer weiter im Detail erforschen – das Wesen der Organmatrix –, wird hier als die „allgemeinere Substanz“ bezeichnet, „aus der heraus alle die einzelnen Organe des Körpers gebildet werden können“ (S. 60).
- Siehe FN 1, S. 59.
- Ebenda, S. 60.
- Ebenda.
- Ebenda.
- Siehe FN 1, Kap. XII, Abs. 6.
- Ebenda, Abs. 7, 8.
- Ebenda, Abs. 9.
- Siehe FN 1, S. 61f.
- Ebenda, S. 62f.
- Ebenda, S. 63.
- Ebenda.
- Vgl. Wolff (2013), 284.
- Vgl. Girke (2017), 4–12; Fintelmann (2017), 18–25.
- In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

