Das großköpfige Kind als Konstitutionstyp im Physischen

Was ist unter einem großköpfigen Kind zu verstehen?

Welche Charakteristika weist es auf?

Welche pädagogisch-therapeutischen Maßnahmen sind bei der Begleitung dieser Kinder ratsam?

Verhältnis der Funktionssysteme zueinander

Großköpfigkeit als Konstitutionstyp im Physischen kann anhand des Zusammenspiels der drei Funktionssysteme des dreigliedrigen Organismus folgendermaßen charakterisiert werden. Hier überwiegt die Hauptesbildung gegenüber derjenigen von Rumpf und Gliedmaßen. Das ist Ausdruck davon, dass das Nerven-Sinnessystem nicht harmonisch mit den anderen Funktionssystemen interagiert. Rudolf Steiner bemerkt zu diesem Konstitutionstypus, dass „Astralleib und Ich des Kindes nicht so recht heranmögen an das Nerven-Sinnessystem“.1

Die daraus resultierende Großköpfigkeit ist also nicht nur eine Sache des äußeren Maßes, das sich mehr oder weniger in der Kopfgröße zeigt. Beim großköpfigen Kind überwiegt auch das Denken gegenüber einem wachen Erfassen der Umwelt durch die Sinneswahrnehmung aufgrund der genannten mangelnden Integration der Nerven-Sinnes-Prozesse in den übrigen Organismus.

Diese Kinder neigen dazu, dem Irdisch-Alltäglichen gegenüber wie „enthoben“ zu sein, sie träumen vor sich hin, anstatt durch die geöffneten Sinnesorgane aufmerksam und aktiv an dem Geschehen um sich her Anteil zu nehmen. So wie das Gehirn der Erdenschwere weitgehend enthoben im Gehirnwasser schwimmt, in der Schädelkapsel geborgen, so laufen diese Kinder Gefahr, sich dieser Eigendynamik des Nerven-Sinnessystems zu sehr zu überlassen.

Stellen wir uns ein großköpfiges Kind in der Schule vor. Vielleicht findet man es am Fenster und im Winter besonders gern auch bei der Heizung vor. Es bewegt sich wie sinnend oder träumend durch das Klassenzimmer. Oft sieht man es auch einfach irgendwo stehen und versonnen umherschauen. Man hat nicht den Eindruck, dass es die Dinge genau beobachtet. Es scheint mehr ein Gesamtbild von dem, was vor¬geht, zu gewinnen. Es hat ein wenig Mühe sich zu konzentrieren und genau wahrzunehmen. Es scheint nicht genau zuzuhören und hat Mühe mit dem Auffassen der Lernthemen. Denn es kann die Dinge, die ihm begegnen, nicht klar in Gedanken festhalten und für sich verfügbar machen. Dafür trägt es jedoch eine Fülle von Bildern und Träumen in sich, es ist seelisch reich und mit einer gewissen Heiterkeit be¬gabt. Sein Temperament ist vorwiegend sanguinisch-phlegmatisch.

Pflegerisch-therapeutische Begleitung

Als Pädagoge, egal ob als Eltern oder Lehrer, ist man zum Wohle des Kindes dazu aufgerufen, auf diese konstitutionelle Einseitigkeit ausgleichend einzuwirken. Zum einen kann man fragen:

Welche Empfindungen bzw. Sinneserfahrungen können das großköpfige Kind so anregen, dass es sein Umfeld genauer wahrzunehmen in der Lage ist und dann das Wahrgenommene klarer einzuordnen vermag?

  • 1. Kühle im Physischen erfahrbar machen

Auf der physischen Ebene kann man das Kind unterstützen, indem man ihm hilft, den Unterschied zwischen Wärme und Kälte zu fühlen. Dabei kommt es besonders auf die Empfindungen der Abgrenzung und des Zusammenziehens an, welche durch die Kälte hervorgerufen werden. Wärme bewirkt dagegen nur das Erleben einer „verschwimmenden“ Grenze. Das großköpfige Kind braucht aber gerade das Anstoßen und Erwachen an der Grenze durch die Sinneserfahrung, die durch das Spüren von Kälte hervorgerufen wird. Wir sprechen ja sogar von „schneidender Kälte". Auch ist es direkt erlebbar, dass ein „kühler Kopf“ zu mehr Klarheit führt.

So empfiehlt Steiner, bei großköpfigen Kindern besonders im Kopfbereich Empfindungen von Kälte hervorzurufen. Bei manchen Kindern genügt eine achtsame kühle Abwaschung des Kopfes am Morgen, manche brauchen sie bis zur Taille. Dadurch werden die Sinnesempfindungen wie „geweckt“, die das Unterscheidungsvermögen des Kindes zwischen Wärme- und Kälteempfindung erhöhen. Das wiederum hilft seinem Gedankenleben, sich besser mit den Sinnesfunktionen zu verknüpfen.

Das Ungleichgewicht zwischen den Funktionssystemen kommt ja dadurch zustande, dass das Ich und der Astralleib des Kindes sich nur zögerlich mit dem körperlichen Instrument des Nervensystems verbinden wollen. Werden jedoch kräftige Sinnesreize ausgeübt, die die unterscheidende Wahrnehmungsfähigkeit anregen und das Kind aus seinem „entrückten“ Träumen aufrütteln, so bekommen Astralleib und Ich einen klaren Impuls, sich an der Nerven-Sinnes-Tätigkeit zu beteiligen. Indem man dem Kind morgens eine kühle Abwaschung gibt, hilft man seinem Ich und seiner Seele, sich stärker mit der Sinneswelt verbinden, der Welt der Unterscheidung, der Kälte, der Härte, des Deutlichen.

  • 2. Kräftiges Salzen

Als zweites empfiehlt Steiner, den Vorgang des Aufwachens für die Sinneswelt über den Stoffwechsel zu unterstützen durch ausreichendes Salzen der Speisen, eventuell auch medizinisch mit Hilfe von feinst potenziertem Blei oder Bleiverbindungen.

Vgl. „Gesundheit und Erziehung“, Kapitel 14

  1. Rudolf Steiner, Konferenzen mit den Lehrern der Freien Waldorfschule in Stuttgart, Bd. 2. Konferenz vom 6.2.1923. GA 300b, Dornach 1925.