Grundsätzliches zur „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“
Stellt die „Anthroposophische Gesellschaft“ eine Art neue Glaubensgemeinschaft dar?
Worum es gehtDie Anthroposophie ist keine Glaubensgemeinschaft. Sie wendet sich an das selbstständige Denken der Menschen und deren Bereitschaft, an ihrer eigenen Lebenserfahrung zu prüfen, ob Gesichtspunkte aus der Anthroposophischen Geisteswissenschaft sich bewahrheiten oder nicht.
Anthroposophie appelliert an die Bereitschaft, sich in den Dienst der Menschheitsentwicklung zu stellen (vgl. Anthroposophie: Was das Wesen Anthroposophia von uns braucht). Rudolf Steiner sprach in dem Zusammenhang bereits 1908 von den neuen, christlichen Mysterien, die er als Mysterien des Willens bezeichnete (vgl. Anthroposophie: Anthroposophie als neues Mysterienwissen).1 Die alten Mysterien dagegen waren Mysterien der Weisheit.
Bei allen anthroposophischen Bemühungen geht es um
Selbsterkenntnis,
soziales Menschenverständnis
und darum, aus dieser Erkenntnis heraus zeitgemäße und menschenwürdige Lebens- und Arbeitszusammenhänge zu schaffen.
Eine solche verbindliche Haltung bzw. Bereitschaft zur Mitarbeit wird nur von den Mitgliedern der „Freien Hochschule für Geisteswissenschaft“ (vgl. Anthroposophie: Die sieben Bedingungen des Anthroposophischen Schulungsweges) erwartet, nicht aber von den Mitgliedern der „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ (vgl. Anthroposophie: Die Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft).
Offenheit der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft
In den Statuten der „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ steht auch, dass die AAG offen ist für alle Menschen, „unabhängig von ihrer wissenschaftlichen, künstlerischen und religiösen Überzeugung“.
Mich berührt dabei am meisten, dass die Ausbreitung der anthroposophischen Kulturimpulse „von innen“ kommt und nicht durch einen „Businessplan“ und Geld quasi von außen organisiert wird. Auch das Goetheanum steuert diese Entwicklung nicht, koordiniert aber die unterschiedlichen Bereiche und unterstützt weltweit, wo immer dies gewünscht wird – allerdings nicht finanziell, da das Goetheanum selbst auf Spenden zu seinem Unterhalt angewiesen ist.2
1919 hatte Rudolf Steiner bereits in seinen „Vorträgen über soziale Zukunft“3 drei Gesellschaftstypen charakterisiert:
- die pyramidale Machtgesellschaft der Vergangenheit,
- die „demokratische Tauschgesellschaft“ der Gegenwart
- und die Gemeingesellschaft als die Gesellschaftsform der Zukunft, deren Grundnerv die Selbstlosigkeit sei.
Im selbstlosen Dienst an der Menschheit sah er die Aufgabe der zu Weihnachten begründeten „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“, an die sich die Zweige und Gruppen der anthroposophischen Landesgesellschaften anschließen können.
Vgl. „Die Aufgabe der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert“, Sept. 2023, Akanthos Akademie Edition Zeitfragen
- Rudolf Steiner, „Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums“, GA 8.
- Bis heute gab und gibt es weltweit Menschen, die das Goetheanum und seine Sektionen lieben und – auch unter schwierigen finanziellen Verhältnissen – am Leben gehalten haben. So lebt es als Wahrzeichen der Anthroposophie und als inzwischen auch – nicht nur unter Architekten – international bekanntes Bauwerk und Zentrum der anthroposophischen Bewegung.
- Rudolf Steiner, Soziale Zukunft, GA 332a.