Die Berechtigung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert
Worauf gründet die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft?
Welche wichtige Aufgabe hat sie heutzutage?
Persönliche Erfahrungen vorneweg
Mit diesem Beitrag möchte ich der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ (AAG) ihrer Aufgabe im 21. Jahrhundert in einer Weise gerecht werden kann, wie es Rudolf Steiner bei ihrer Begründung auf der Weihnachtstagung 1923/24 im Hinblick auf die Zukunft veranlagt hat (vgl. Anthroposophie: Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft).
Seit meinem 16. Lebensjahr ist die Anthroposophie für mich ein unentbehrlicher Begleiter geworden. Mit ihrer Hilfe konnte ich mir die vielen Fragen, die mich als Jugendliche in der Nachkriegszeit und angesichts des atomaren Wettrüstens in Amerika und Russland beschäftigt haben, so beantworten, dass ich trotz Holocaust und Weltuntergangsszenarien das Leben auf der Erde liebgewinnen konnte. Mit 18 Jahren hatte ich eine Gastkarte, um die Mitgliedervorträge im Rudolf-Steiner-Haus in Stuttgart besuchen zu können. Mit 21 wurde ich dann Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft und zwei Jahre später auch in der „Freien Hochschule für Geisteswissenschaft (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Aufbau der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft).
Zweifel an der Berechtigung der AAG
In der Begegnung mit Freunden und Bekannten, KommilitonInnen und BerufskollegInnen habe ich jedoch immer wieder erlebt, dass die Begeisterung für Anthroposophie sehr oft kein Grund war oder ist, auch Mitglied in der Anthroposophischen Gesellschaft zu werden. Zumal es zahlreiche offene esoterische Fragen, aber auch Fragen im Hinblick auf das sogenannte Konstitutionsproblem mit seinen verschiedenen Facetten gibt.
Wer will schon Mitglied in einer Gesellschaft werden, die ihre eigene Identität infrage stellt und immer wieder Zeit und Kraft investiert in Diskussionen über die oben in aller Kürze angedeuteten Fragen?
Es stimmt, dass nach dem Tod Rudolf Steiners 1925 vieles geschehen ist, das diese Zweifel und Fragen untermauern mag. Das Protokoll der vierten außerordentlichen Generalversammlung des „Bauvereins“1 gibt jedoch – so wie die Vorläuferdokumente – klare Auskunft über die Gegebenheiten wie auch die Anmeldung für das Handelsregister, die Rudolf Steiner und die anderen Vorstandsmitglieder am 8. Februar unterschrieben haben auch. Darin wird der Name des Vereins des Goetheanum der freien Hochschule für Geisteswissenschaft/„Bauverein“ abgeändert in „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“. Womit klar belegt ist, dass der ehemalige „Bauverein“ jetzt Träger des Namens der zu Weihnachten begründeten Gesellschaft ist.
Plädoyer für die Wichtigkeit der Existenz und Aufgabe der AAG
Da ich zutiefst davon überzeugt bin, dass die Anthroposophische Gesellschaft in der gegenwärtigen Zeit eine zentrale Aufgabe hat, die dringend erfüllt werden muss im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft, haben mich die vielen Gründe, die gegen eine Mitgliedschaft ins Feld geführt werden, schmerzlich berührt. All diese kritischen Einwände und Argumente haben mir jedoch auch geholfen, immer klarer zu verstehen, welche wichtige Rolle die AAG innehat, nicht zuletzt als Träger und Förderverein der „Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum“. Die vielen Gegenargumente, ja Gegnerschaften, weisen zudem darauf hin, dass es hier um etwas Wesentliches geht.
Auch ist es für mich im Sinne einer freien Meinungsbildung stimmig, dass „Fürs“ und „Widers“ in gleicher Weise existieren. Denn wir sind erst dadurch wirklich frei, uns ganz aus eigener Motivation heraus für eine Mitgliedschaft zu entscheiden.
Vgl. „Die Aufgabe der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert“, Sept. 2023, Akanthos Akademie Edition Zeitfragen
- Rudolf Steiner, Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum, GA 260a S. 559 ff.