Unterschied zwischen AAG-Mitgliedschaft und Hochschul-Mitgliedschaft
Worin besteht der Unterschied zwischen einer Mitgliedschaft in der „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ (AAG) und einer Mitgliedschaft an der Hochschule?
Sozial-therapeutisches Gesamtkunstwerk
Vor 100 Jahren wurde die „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ (AAG) als eine im Geist gegründete Arbeitsgemeinschaft gestiftet, an die sich jede/r in der ihm/ihr möglichen Form anschließen kann (vgl. Anthroposophie: Die Berechtigung der allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert). Es ist eine durch die geistige Grundsteinlegung1 verbundene Gemeinschaft der Lebenden und der Verstorbenen. Sie hat ihren Tempel in der geistigen Welt und das physische Symbolum davon, das Goetheanum auf dem Dornacher Hügel, als Tagungs-Begegnungs- und Arbeitsort und zugleich Sitz der AAG und der „Freien Hochschule für Geisteswissenschaft“ (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Aufbau der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft).
Am 27. Dezember 1923 erläutert Steiner auf der Weihnachtstagung2 anhand einer Skizze den sozialen Bau von AAG und Hochschule mit ihren drei Klassen, die horizontal übereinander-liegen mit der AAG an der Basis und den 3 Klassen darauf aufbauend, und den neu eingerichteten Sektionen,3 die vertikal ausgerichtet sind und die Arbeitsebenen von Klassen und AAG kreuzen und gleichzeitig miteinander verbinden.
- Mitgliedschaft in der „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“
Die Mitgliedschaft in der „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ hat als einzige Bedingung, im Goetheanum als Einrichtung4 etwas Berechtigtes zu sehen und folglich auch bereit zu sein, einen bescheidenen Unterstützungsbeitrag in Form eines Mitgliedsbeitrags zu leisten.
Wer will, kann auch in freier Weise in der Gesellschaft aktiv werden und einen eigenen Zweig oder eine Gruppe auf sachlichem Feld begründen, deren Arbeitsformen und ggf. auch Statuten man ebenfalls eigenständig realisieren kann. Die eigenen Statuten sollen nur dem Weihnachtsstatut5 nicht widersprechen (vgl. Anthroposophie: Die Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft).
- Mitgliedschaft in der Hochschule
Das verhält sich bei der Mitgliedschaft in der Hochschule anders. Bewerber, die in die Hochschule aufgenommen werden wollen, sollten die folgenden drei Bedingungen beherzigen, die in den „Briefen an die Mitglieder“6 eingehend erläutert werden https://www.anthroposophie-lebensnah.de/lebensthemen/anthroposophie/aufgabe-der-anthroposophischen-gesellschaft/:
den Anthroposophischen Schulungsweg ernst zu nehmen,
sich im Zusammenhang zu halten mit den anderen Hochschulmitgliedern
und den Entschluss zu fassen, „sich wirklich zu Repräsentanten der Anthroposophischen Sache im Leben in allen Einzelheiten machen wollen“.
Mit der Hochschule wurde eine verbindliche geistbrüderlich/schwesterliche Gemeinschaft gestiftet, die entscheidend dazu beiträgt, dass trotz der maximalen Freiheit des Einzelnen in der „Anthroposophischen Gesellschaft“ kein Chaos zusammenhangloser Gruppen, sondern „eine Gesellschaft mit geistigem Inhalt“ und klarer Kulturaufgabe entstehen kann.
Durch geistige Grundsteinlegung verbundene Gemeinschaft
Dazu trägt selbstverständlich auch das Arbeiten auf der Grundlage der Weihnachtsstatuten bei. Dadurch, so Steiner, könnten die Hochschulmitglieder eine Art soziales Korrektiv bilden, so dass Hochschule und Gesellschaft in ihrem Zusammenhang der Aufgabe gerecht werden können, auf den verschiedenen Lebensfeldern die spirituellen Kulturimpulse der Anthroposophie zur Wirksamkeit zu bringen.
Die Notwendigkeit, das Initiationsprinzip „unter die Zivilisationsprinzipien aufzunehmen“, wie Steiner es formulierte, also der eigenen Lebensarbeit eine spirituelle Orientierung zu geben und dadurch die Anthroposophie auf den verschiedenen Lebensgebieten kulturwirksam werden zu lassen, war auch das Kernthema der Abend- und Morgenvorträge während der Weihnachtstagung 1923/24.
Was mich dabei besonders berührt, ist die Tatsache, dass diese Arbeitsgemeinschaft trotz mancher Krise unverbrüchlich stabil geblieben ist. Es gab immer genügend Mitglieder in der AAG und Hochschule, die keinen Zweifel aufkommen ließen an der Realität des zu Weihnachten 1923 Begonnenen, und die mit ihren Möglichkeiten zum Gedeihen des Anthroposophischen Kulturimpulses beitragen wollten und konnten.
Berufsgemeinschaften mit einem esoterischen Kern
Denn eines gilt für alle Berufs- und Lebensfelder, die durch die Anthroposophie inspiriert wurden und werden: Es sind Berufsgemeinschaften mit einem esoterischen Kern, einem gemeinsamen geistigen Ort der Inspiration. Das gilt für alle folgenden Berufsgruppen:
die Lehrerschaft der Waldorfschulen,
die Priesterschaft der Christengemeinschaft,
die im September 1924 von Rudolf Steiner und Ita Wegman noch auf den Weg gebrachte spirituelle Ärzteschaft,
die durch eine gemeinsame Meditation verbundene Gemeinschaft der Heilpädagogen,
für den Versuchsring biologisch-dynamische Landwirtschaft,
das meditative Gut, das die Künstlerinnen und Künstler jeweils auf ihrem Felde verbindet
das auf den verschiedenen Wissenschaftsgebieten von Rudolf Steiner Ausgeführte.
Dies inspirierende Geistesgut zu pflegen und lebendig zu halten ist Aufgabe der Hochschulsektionen am Goetheanum. Auch wenn beispielsweise in einem anthroposophischen Krankenhaus unter den über 800 Mitarbeitern nur wenige Mitglieder in der AAG oder Hochschule sind, so sind doch diese Wenigen in gewisser Weise die Garanten für die anthroposophische Qualität des Hauses.
Vgl. „Die Aufgabe der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert“, Sept. 2023, Akanthos Akademie Edition Zeitfragen
- Für diese Grundsteinlegung gab Rudolf Steiner den Grundsteinspruch als geistiges Fundament der anthroposophischen Bewegung.
- Die Weihnachtstagung 1923/1924 zur Begründung der „Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ fand vom 24. Dezember 1923 bis zum 1. Januar 1924 in Dornach am Goetheanum statt.
- Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren zwölf Sektionen ist in Forschung, Entwicklung, Lehre und der praktischen Umsetzung ihrer Ergebnisse wirksam und wird in ihrer Arbeit durch die Anthroposophische Gesellschaft gefördert (https://goetheanum.ch/de/hochschule).
- Das Goetheanum ist der Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und eine Freie Hochschule für Geisteswissenschaft.
- https://www.anthroposophische-gesellschaft.online/resources/Statuten-der-Anthroposophischen-Gesellschaft.pages.pdf.
- Rudolf Steiner, Briefe an die Mitglieder, Brief vom 15.2.24, Einleitung.