Substanzverständnis der Anthroposophie
Worauf gründet das Substanzverständnis der Anthroposophie?
Dienender Charakter der Substanz
Christliche Spiritualität ist zugleich allgemeinmenschliche Spiritualität und die Spiritualität in den Naturerscheinungen. Das Substanzverständnis der Anthroposophie, wie es im 1. Kapitel des Grundlagenwerkes der Anthroposophischen Medizin erörtert wird,1 beruht auf dieser Grundlage. Die Erdensubstanz – im christlichen Bekenntnis symbolisiert durch Brot und Wein – ist nach diesem Verständnis nicht nur die physische Grundlage für die Erd- und Menschheitsentwicklung. Vielmehr zeigt sich ihr zutiefst christlicher Charakter daran, dass sie dient:
- im mineralischen Zustand den Todesprozessen,
- in der Pflanzenwelt den Lebensprozessen,
- in der tierischen Natur den seelischen Äußerungen und der Bewegungsfähigkeit.
- Im Menschen aber wird sie „Geist tragend“.2
Vor diesem Hintergrund sind dann Sätze in dem genannten Werk wie der folgende zu verstehen: „[…] dann wird man durch Einfügung eines Erdenstoffes in den menschlichen Organismus oder durch Behandlung mit einer Erdentätigkeit bewirken können, dass die höheren Glieder der Menschenwesenheit sich ungehindert entfalten können, oder auch, dass die Erdenstofflichkeit an dem Zugefügten die nötige Unterstützung findet, um auf den Weg zu kommen, auf dem sie Grundlage wird für irdisches Wirken des Geistigen.“3
Spirituelle Chemie und Physik der Zukunft
In der Schrift „Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit“4 präzisiert Rudolf Steiner diesen Aspekt auch noch im Hinblick auf die Entwicklung der Substantialität der Erde: „Künftig werden Chemiker und Physiker kommen, welche Chemie und Physik nicht so lehren, wie man sie heute lehrt [...] sondern welche lehren werden: ‚Die Materie ist aufgebaut in dem Sinne, wie der Christus sie nach und nach angeordnet hat!‘ – Man wird den Christus bis in die Gesetze der Chemie und Physik hinein finden. Eine spirituelle Chemie, eine spirituelle Physik ist das, was in der Zukunft kommen wird. Heute erscheint das ganz gewiß vielen Leuten als eine Träumerei oder Schlimmeres. Aber was oft die Vernunft der kommenden Zeiten ist, das ist für die vorhergehenden Torheit.“5
Die Substanzen zeigen in der Art ihrer Darstellung in der „Erweiterung der Heilkunst“ einen durchweg selbstlos dienenden Charakter. Indem sie sich den im ersten Kapitel beschriebenen vier Kräftebereichen unterordnen, bringen sie alle Naturerscheinungen in die Sichtbarkeit und dienen so der Mineral-, Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt zu deren jeweiliger Manifestation. 6 Diese selbstlos dienende Haltung wird auch auf dem anthroposophischen Schulungsweg geübt und gibt der anthroposophischen Pharmazie und Medizin ihren spirituellen Charakter.
Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 20257
- Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27, Dornach 1991.
- Vgl. Harlan, (2008)
- Siehe FN1, S. 12.
- Rudolf Steiner, Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, GA 15.
- Ebenda, S. 46.
- Christian Morgenstern (1871–1914) hat diesem „dienenden“ Geschehen sein Gedicht Fußwaschung gewidmet.
- In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.