Wirken der Substanzströme in Pflanze, Tier und Mensch

Wie lässt sich das Wirken der Substanzströme in Pflanze, Tier und Mensch beschreiben?

Was bewirkt jeweils der Einfluss des Ätherischen, Astralischen und der Ich-Organisation?

Wie wirkt die Ich-Organisation im Wachzustand und wie wirkt sich das auf den Schlaf des Menschen aus?

An den jeweiligen Organismus angepasste Substanzströme

Die zweite Hälfte des fünften Kapitels von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“1 fokussiert sich in Fortsetzung der Kapitel III und IV darauf, wie sich die drei Substanzströme – in Pflanze, Tier und Mensch – im Hinblick auf die unterschiedlichen Organbildungen ausnehmen.

In der Pflanze gibt es nur den einen Substanzstrom vom Toten (Physischen) ins Lebendige (Ätherische) und von dort durch das absterbende Leben wieder zum Toten.

Im tierischen Organismus ist die astralische Organisation für die Gesamtgestalt verantwortlich, weswegen sich dort der Substanzstrom über das Wirken im Ätherischen hinaus in dreifacher Weise an der Organbildung beteiligt:

  • vorzugsweise stützende Organe, die Skelett, Bindegewebe und Muskulatur bilden,
  • dann die Leben tragenden Organe des Verdauungs- und Drüsenapparats
  • und die Bewusstsein tragenden Organe des Nerven-Sinnes-Systems.

Beim Menschen kommt der Substanzstrom über das Wirken im Astralischen hinaus noch in den Bereich der Ich-Organisation, wo er nun die Befähigung erfährt, ‚Geist tragend‘ zu werden.

Damit wird aber auch deutlich, dass die weiteren Entwicklungsstufen der Menschwerdung sich nicht mehr im Physischen abspielen können, sondern im Bereich der übersinnlich-selbstbestimmten seelisch-geistigen Weiterentwicklung.

Der Mensch als Ergebnis der Ich-Organisation

Aus diesem vierten Gestaltungsprozess heraus, der den Gesetzmäßigkeiten der Ich-Organisation unterliegt, wird die menschliche Konstitution bis „in die kleinsten Teile seiner Substanz hinein“ zu einem „Ergebnis dieser Ich-Organisation“ gemacht.2 Dadurch erfährt sie ihre durchgreifend die Naturprozesse ‚aufhaltende‘ Konfiguration.

Im 12. Vortrag des Grundkurses zur Begründung der Waldorfschule fasste Steiner diesen Sachverhalt so zusammen: „Der Leib des Menschen wird auf keine andere Weise erklärlich, als indem man zuerst seine Vorgänge, seine Prozesse kennt, indem man weiß, daß der Mensch in sich auflösen muß das Mineral, in sich umkehren muß das Pflanzenreich, über sich hinausführen muß, das heißt, vergeistigen muß das Tierreich. Und alles dasjenige, was der Lehrer wissen soll über die Leibesentwicklung, das hat zur Grundlage eine solche anthropologische, anthroposophische Betrachtung, wie ich sie hier mit Ihnen angestellt habe.“3

Es wird desweiteren geschildert, wie die von den astralischen Kräften beherrschte „empfindende Substanz und diejenige, welche den selbstbewussten Geist tragen kann“,4 im Wachzustand aus dem Gesamtorganismus herausgehoben werden.

Dadurch wird die Metamorphose der Wesensgliedertätigkeiten in die Leibfreiheit des geistig-seelischen Lebens und Erlebens möglich, wie bereits in Kap. II, Abs. 9 dargestellt: „Die Ich-Organisation lebt sich seelisch frei im Denken dar. Daher können astralische und Ich-Organisation im Wachzustand ‚von außen‘ abbauend wirken, so dass die Substanzbildung durch das bewusste und selbstbewusste Leben des Menschen unmittelbar beeinflusst wird. Damit nimmt Steiner Erkenntnisse der molekularen Genetik voraus, die inzwischen die modifizierenden Einflussfaktoren seitens der Umwelt und in Folge mentaler Einflussfaktoren kennt, die selbst auf das Erbgut in den Zellen ausgeübt werden können.“5

Ich-Tätigkeit beim Wachzustand und beim Schlafen

Da im Schlaf Empfindung und Selbstbewusstsein erlöschen und auf den schlafenden Menschen nur die von der Erde ausstrahlenden und auf sie einstrahlenden Kräfte wirken, kommt jetzt zur Geltung, was die Substanz während des Wachens an Gestaltungsimpulsen von der astralischen und Ich-Organisation aufgenommen hat. D. h. was sich psychosomatisch vom seelischen Erleben und der geistigen Tätigkeit aus konstitutionell manifestiert hat. Dies nennen die Autoren die substanziellen Reste der astralischen und Ich-Organisation, die während des Schlafes fortwirken und ihren Einfluss auf das Regenerations- und Substanzbildungsgeschehen geltend machen.

  • Wach lebt der Mensch in einer Betätigung, welche ihn mit der Außenwelt durch seinen astralischen Leib und durch seine Ich-Organisation in Verbindung setzt.

  • Schlafend leben sein physischer und sein ätherischer Organismus von dem, was die Reste dieser beiden Organisationen substanziell geworden sind.6

Zwischen Schlafen und Wachen – dem Erlöschen von Bewusstsein und autonomen Handlungsweisen und deren tagwacher Präsenz – steht die ätherische Organisation vermittelnd darinnen. Ihr wichtigster stofflicher Träger ist der belebende Sauerstoff.7 Nimmt seine Wirkung überhand, so herrscht die ‚schlafbewusste‘ Lebenstätigkeit vor. Tritt sie zurück, tritt das Wachbewusstsein auf. Die ätherische Organisation stützt sich in diesem zentralen ‚Leben tragenden Rhythmus‘ der Atmung auf den Sauerstoff, als dessen wichtigster Träger.8

Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 20259

  1. Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.
  2. „Bis in die kleinsten Teile seiner Substanz hinein ist der Mensch in seiner Gestaltung ein Ergebnis dieser Ich-Organisation.“ FN 1, S. 29.
  3. Rudolf Steiner, Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik, GA 293, 192f.
  4. Siehe FN 1, S. 31.
  5. Vgl. Rosslenbroich (2023).
  6. Siehe FN 1, S. 32.
  7. Vgl. Rudolf Steiner, „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Kursus“, GA 327, S. 57–60.
  8. Vgl. ebd., S. 57.
  9. In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.