Anthroposophie als Menschheitsheilmittel

Inwiefern kann Anthroposophie als Heilmittel für die Menschheit gesehen werden?

Was ist mit zweiter Geburt gemeint?

Welches sind die Bedingungen der medizinischen Kultur?

All das schlimme Leid auf Erden, das Menschen zugefügt wird, kann nur dadurch kompensiert und geheilt werden, wenn wir bereit sind, das Göttliche in uns zu finden (vgl. Gottebenbildlichkeit des Menschen: Gottebenbildlichkeit des Ich). So gesehen ist die Anthroposophie als Erkenntnisweg ein Menschheitsheilmittel, ein Heilmittel für den Materialismus. Sie ist nur ein Beitrag von vielen – es gibt noch viele andere Wege. Aber sie ist ein ganz wichtiger Beitrag, dem wir uns hier verpflichtet fühlen – mit dem Ziel, Leid durch Erkenntnis vorzubeugen, aber auch Menschen zu segnen und zur Wandlung zu verhelfen kraft der „zweiten Geburt“ (vgl. Mysterien und Initiation: Initiation durch das Leben): indem man eine persönliche Beziehung zur Gedankensphäre bekommt und erlebt, wie man sich durch Gedanken verwandeln und ein unzerstörbares Selbstbewusstsein entwickeln kann (vgl. Selbstbewusstsein: Selbstbewusstsein erringen als Erwachsener).

Hilfen zur Vorbereitung der zweiten Geburt

Aufgrund dieser Zusammenhänge weist Rudolf Steiner im 1. Kap. von „Grundlegendes...“1 mit Nachdruck darauf hin, dass für den Arzt – und für jeden, der heilend tätig ist und sein will – die Werke, die er dort zitiert, ein absolutes Muss sind als Voraussetzung dafür, den Ansatz der Anthroposophischen Medizin überhaupt verstehen zu können. Deswegen sprechen wir im Rahmen des Abschlussgesprächs unseres internationalen Ärztezertifikats (IPMT) immer auch über diese beiden Werke als fundamentale Elemente dieser Ausbildung.

In „Wie erlangt man…?“2 werden diverse Übungen beschrieben, die diese zweite Geburt vorbereiten, ohne dass es zu großen inneren und äußeren Brüchen kommen muss. Sie helfen aber auch, wenn es bereits zu inneren und äußeren Brüchen gekommen ist, deren Sinn zu verstehen. Im Grunde wird in diesem Buch jedoch ein gesunder, stiller Weg beschrieben, der ohne Krisen auskommt, wenn er in Freiheit beschritten wird.

Das zweite Buch, „Die Geheimwissenschaft…“3, zeigt uns unsere eigene Entwicklung im Zusammenhang mit der riesengroßen Evolution von Welt und Mensch und wirft damit Licht auf die Verantwortung, die wir diesen überpersönlichen Entwicklungen gegenüber haben.

Zu den esoterischen Klassenstunden

Eine der Quellen für die erforderlichen Qualitäten sind die Meditationen der Klassenstunden. Wer von Euch also noch nicht Klassenmitglied ist, sollte sich dringend überlegen, es zu werden. Die drei Bedingungen, die man als Mitglied erfüllen muss,4 entsprechen den drei Bedingungen unserer medizinischen Kultur (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Aufbau der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft):

  1. Lebenslange Weiterbildung: den Weg möglichst aktiv zu gehen, nie stehen zu bleiben.

  2. Sich in Zusammenhang halten mit den anderen, mit der Berufsgemeinschaft, damit man sich mit gegenseitiger Hilfe weiterbildet – das ist der Sinn unserer Jahreskonferenz und der Konferenzen in vielen Ländern.

  3. Würdiger Repräsentant sein, in unserem Falle der Anthroposophischen Medizin, in allen Einzelheiten unserer Arbeitswelt.

Darum bemühen wir uns doch alle, ganz unabhängig davon, ob wir nun Mitglieder in der Anthroposophischen Gesellschaft und in der Hochschule sind oder nicht. Und weil das so ist, kann sich jeder überlegen, ob er nicht auch noch diesen Schritt machen möchte.

Das Mysterium des menschlichen Leibes

Der esoterische Pfad hat einen tiefen Sinn und folgt unglaublich tiefen Intentionen: den Leib in seiner Heiligkeit als Tempel des Geistes zu begreifen und wertzuschätzen (vgl. Christus heute: Jesus-Christus und der Tempel des Leibes). Im Mittelpunkt der esoterischen Klassenstunden steht also das Mysterium des menschlichen Leibes:

  • das Aus-Gott-geboren-Sein: „Ex deo nascimur“,

  • die Verwandlungsfähigkeit im Sinne des „In-Christo-Morimur“,

  • und das Erwachen im Geiste als tiefster Sinn dieser Meditationen: „In spiritu sancto reviviscimus“, um das heilbringende, heilmachende Element guter, fördernder Gedanken zu leben, aber auch, um die Wesen zur Kenntnis zu nehmen, die hinter diesen Gedanken stehen und sich dadurch offenbaren (vgl. Nachtodliches und vorgeburtliches Leben: Nachtodliche Begleitung durch die dritte Hierarchie).

Denn wir dürfen eines nicht vergessen: Ohne unsere Gedanken, ohne diese selbstlose Äthersphäre, die das gemeinsame Lebensfluidum für Lebende und Verstorbene, für ewig Lebende und für vergänglich Lebende ist, würde das gesamte esoterische Wissen nichts erreichen können. Alle unsere Worte sind gedankengestützt, gedankenbestimmt. Die ganz große Aufgabe besteht darin, durch dieses Denken zur geistigen Wirklichkeit zu gelangen, sich diese geistige Realität ganz zart in Gedanken, die wie eine ätherische Saat wirken, zu erschließen (vgl. Gedankenkraft: Engel und Gedankenleben). Dabei sind die Meditationen der Klassenstunden sehr hilfreich.

Wenn wir aus dem Geist der Anthroposophie heraus im Leben stehen, handeln wir aus Liebe zur Sache und sind frei von Machtspielen – mit der Haltung: Das objektiv Wahre soll geschehen, vor dem Hintergrund dessen, was gebraucht wird. Dann handeln wir im Sinne der modernen Mysterienschule und können uns des Segens guter Einfälle gewiss sein.

Vgl. Vortrag „Gottesebenbildlichkeit und Heiligkeit des menschlichen Leibes“ an der JK Dornach 2014

  1. Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. GA 27.
  2. Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1992.
  3. Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss. GA 13. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989.
  4. Siehe FN 1.